: Charlotte Brontë
: Jane Eyre Die Waise von Lowood
: Nexx
: 9783958702288
: 1
: CHF 0.90
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: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 100
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der Roman enthält viele autobiografische Züge und erzählt die Lebensgeschichte von Jane Eyre, die nach einer schweren Kindheit eine Stelle als Gouvernante annimmt und sich in ihren Arbeitgeber verliebt, jedoch immer wieder um ihre Freiheit und um ihr Recht auf Selbstbestimmung kämpfen muss.

Charlotte Brontë (1816-1855) war eine britische Schriftstellerin, die bereits einen Monat vor ihrem 29. Geburtstag an Tuberkulose verstarb.

Erstes Kapitel


 

Es war ganz unmöglich, an diesem Tag einen Spaziergang zu machen. Am Morgen waren wir allerdings während einer ganzen Stunde in den blätterlosen, jungen Anpflanzungen umhergewandert; aber seit dem Mittagessen – Mrs. Reed speiste stets zu früher Stunde, wenn keine Gäste zugegen waren – hatte der kalte Winterwind so düstere, schwere Wolken und einen so durchdringenden Regen heraufgeweht, dass von weiterer Bewegung in frischer Luft nicht mehr die Rede sein konnte.

 

Ich war von Herzen froh darüber: lange Spaziergänge, besonders an frostigen Nachmittagen, waren mir stets zuwider: – ein Gräuel war es mir, in der rauen Dämmerstunde nach Hause zu kommen, mit fast erfrorenen Händen und Füßen – mit einem Herzen, das durch das Schelten Bessie's, der Kinderwärterin, bis zum Brechen schwer war – gedemütigt durch das Bewusstsein, physisch so tief unter Eliza, John und Georgina Reed zu stehen.

 

Die soeben erwähnten Eliza, John und Georgina hatten sich in diesem Augenblick im Salon um ihre Mama versammelt: diese ruhte auf einem Sofa in der Nähe des Kamins und umgeben von ihren Lieblingen, die zufälligerweise in diesem Moment weder zankten noch schrien, sah sie vollkommen glücklich aus. Mich hatte sie davon dispensiert, mich der Gruppe anzuschließen, indem sie sagte, dass es sie tief unglücklich mache, gezwungen zu sein, mich fern zu halten; dass sie mich aber von Vorrechten ausschließen müsse, zu deren Genuss nur zufriedene, glückliche, kleine Kinder berechtigt seien, und dass sie mir erst verzeihen würde, wenn sie sowohl durch eigene Wahrnehmung wie durch Bessie's Worte zu der Überzeugung gelangt sein würde, dass ich in allem Ernst versuche, mir anziehendere und freundlichere Manieren, einen kindlicheren, geselligeren Charakter – ein leichteres, offenherzigeres, natürlicheres Benehmen anzueignen.

 

»Was sagt denn Bessie, dass ich getan habe?« fragte ich.

 

»Jane, ich liebe weder Spitzfindigkeiten noch Fragen; außerdem ist es geradezu widerlich, wenn ein Kind ältere Leute in dieser Weise zur Rede stellt. Augenblicklich setzest du dich irgendwo hin und schweigst, bis du freundlicher und liebenswürdiger reden kannst.«

 

An das Wohnzimmer stieß ein kleines Frühstückszimmer: ich schlüpfte hinein. Hier stand ein großer Bücherschrank. Bald hatte ich mich eines großen Bandes bemächtigt, nachdem ich mich zuerst vorsichtig vergewissert hatte, dass er Bilder enthalte. Ich stieg auf den Sitz in der Fenstervertiefung, zog die Füße nach und kreuzte die Beine wie ein Türke; dann zog ich die dunkelroten Moiree-Vorhänge fest zusammen und saß so in einem doppelten Versteck.

 

Scharlachrote Draperien