: Jana Volkmann
: Das Zeichen für Regen
: Edition Atelier
: 9783903005709
: 1
: CHF 8.90
:
: Erzählende Literatur
: German
: 208
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Als Irene nach Ky?to zieht, um als Zimmermädchen in einem Hotel zu arbeiten, fühlt sie sich sofort angekommen. Berlin hat sie hinter sich gelassen, ebenso wie ihren Freund Timo und ihr Studium. Dass sie in Japan die Sprache kaum versteht, ist ihr eigentlich ganz recht, denn auch ihre neue Umgebung hält sie lieber auf Distanz. Bis Irene einen der Hotelgäste etwas besser kennenlernt, als es sich für ein Zimmermädchen gehört. Wer ist der mysteriöse Mann aus Zimmer 1009, und was will er von ihr? »?Amega futteiru?, es regnet, sagte der Taxifahrer auf Japanisch, als habe er es eben erst bemerkt. Er sagte es zu keinem seiner beiden Fahrgäste, sprach vielmehr mit der Windschutzscheibe, und Irene malte das Zeichen für Regen auf das beschlagene Fenster neben sich. Ihre Finger merkten sich die Strichfolgen viel zuverlässiger als ihr Gehirn, darum schrieb sie, so oft sie konnte, immer wieder die gleichen Symbole. Regen, ame, ?.«

Jana Volkmann, 1983 in Kassel geboren, hat im Norden, im Westen und im Osten Deutschlands gewohnt. In Berlin hat sie Europäische Literaturen studiert und erste Prosatexte veröffentlicht. Mittlerweile lebt sie in Wien, arbeitet als Co-Chefredakteurin des Literaturmagazins Buchkultur und schreibt an einer Dissertation über Hotels in der Gegenwartsliteratur. Bücher: »Schwimmhäute« (Kurzgeschichten, 2012), »Fremde Worte« (Erzählung, 2014). www.janavolkmann.de

1. TEIL


1. Kyōto. Vor einem Jahr.


Wenn man auf dem Kansai International Airport landet, fühlt sich das an, als fiele man ins Meer. Der Flughafen ist auf eine künstliche Insel gebaut, fünf Kilometer liegen zwischen den Terminals und dem Festland. Die Schiffe in der Bucht von Ōsaka, über die man hinwegfliegt, sehen gefährlich groß aus. Bootsführer drehen sich um, wenn über ihren Scheiteln eine Passagiermaschine im Sinkflug Richtung Boden braust, und sie wirken ein wenig entsetzt, jedenfalls sieht es danach aus, wenn man im Flugzeug sitzt und selbst ein wenig entsetzt ist.

Irene erinnerte sich gut an das Gefühl beim Anflug, an den Schrecken und an die Angst vor dem Meer, an die Farbe des Wassers in der Bucht und an das Rumpeln der Tragflächen. Sie war zuvor nicht oft geflogen. Ihre Finger hielten sich an der Lehne fest. Die Landebahn bemerkte sie erst, als der Flieger aufsetzte. Ihr zweites Leben begann in dem Augenblick, als die Räder der Boeing 777 auf As