Am alten Stadttor saß eine kaffeebraune, schwarz verschleierte Greisin, die vom Geschichtenerzählen lebte. Sie sagte: »Wollt ihr eine Geschichte hören, gnädige Dame, werter Herr? Wahrhaftig, ich habe schon viele Geschichten erzählt, tausendundeine, seit jener Zeit, als ich mir selbst noch von jungen Männern Geschichten erzählen ließ von einer roten Rose, zwei glatten Lilienknospen und vier seidigen, geschmeidigen, tödlich verschlungenen Schlangen. Es war die Mutter meiner Mutter, die schwarzäugige Tänzerin, die vielumarmte, die es sich auf ihre alten Tage – als sie schon schrumpelig war wie ein Winteräpfelchen und sich hinter dem barmherzigen Schleier verkroch – zur Aufgabe machte, mich die Kunst des Geschichtenerzählens zu lehren. Die Mutter ihrer Mutter hatte sie darin eingeweiht, und die beiden waren bessere Geschichtenerzähler als ich. Aber das ist jetzt nicht mehr von Belang, denn sie und ich sind für die Leute eins geworden, und so erweist man mir höchste Ehren, weil ich nun seit zweihundert Jahren Geschichten erzähle.«
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