: Margaret Atwood, Tania Blixen, Janet Frame, Nora Gomringer, Siri Hustvedt, Tove Jansson, Clarice Lis
: Karen Nölle, Sophia Jungmann
: Ein Haus mit vielen Zimmern Autorinnen erzählen vom Schreiben
: edition fünf
: 9783942374743
: 1
: CHF 10.60
:
: Essays, Feuilleton, Literaturkritik, Interviews
: German
: 192
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ich schreibe, also bin ich Schriftstellerin: Wenn es so einfach wäre, gäbe es die Geschichten in dieser Sammlung nicht. Ist Dichten das große Glück, ein großer Kraftakt - oder beides? Wie entstehen Ideen, aus welchen Situationen und Begegnungen schöpfen Autorinnen ihre Inspiration? Wie finden sie ihre Form? Und wie ergeht es Schriftstellerinnen im Literaturbetrieb? In den Erzählungen, Essays und Gedichten dieses Bandes lassen sich die Autorinnen beim Schreiben über die Schulter gucken. Sie entwerfen Geschichten zu dem Thema, beschreiben die Beziehung zu ihren Figuren, besingen ihre Arbeit mit der Sprache, denken über die Wirkung von Worten und Geschichten nach und plaudern aus der Werkstatt der Büchermacherin. Sie äußern sich über den Beruf, mit dem sie sich ihren Lebensunterhalt und bisweilen auch Ruhm verdienen, und über die Hürden, die zu überwinden sind, wenn sie sich als Frauen, die schreiben, treu bleiben wollen. Humorvoll, selbstkritisch und geistreich und immer unterhaltsam gewähren sie Einblicke in die Arbeit von Autorinnen und das Verhältnis von Schreiben und Leben.

Am alten Stadttor saß eine kaffeebraune, schwarz verschleierte Greisin, die vom Geschichtenerzählen lebte. Sie sagte: »Wollt ihr eine Geschichte hören, gnädige Dame, werter Herr? Wahrhaftig, ich habe schon viele Geschichten erzählt, tausendundeine, seit jener Zeit, als ich mir selbst noch von jungen Männern Geschichten erzählen ließ von einer roten Rose, zwei glatten Lilienknospen und vier seidigen, geschmeidigen, tödlich verschlungenen Schlangen. Es war die Mutter meiner Mutter, die schwarzäugige Tänzerin, die vielumarmte, die es sich auf ihre alten Tage – als sie schon schrumpelig war wie ein Winteräpfelchen und sich hinter dem barmherzigen Schleier verkroch – zur Aufgabe machte, mich die Kunst des Geschichtenerzählens zu lehren. Die Mutter ihrer Mutter hatte sie darin eingeweiht, und die beiden waren bessere Geschichtenerzähler als ich. Aber das ist jetzt nicht mehr von Belang, denn sie und ich sind für die Leute eins geworden, und so erweist man mir höchste Ehren, weil ich nun seit zweihundert Jahren Geschichten erzähle.«

Wenn sie a