4. Kapitel
Am anderen Morgen wacht Peter auf. Draußen dröhnt ein Traktor, von oben hört er wieder Musik, die ihm nicht gefällt, und schon stürzt Hedna ins Zimmer: „Aufstehen! Heute müssen wir die Räben vom Feld holen. Keine Zeit zum Trödeln!“ Die Vorhänge und die Decke fliegen beinahe gleichzeitig auf, und Peter schlüpft in die Tigerfinken. Er will ins Bad zum Duschen. „Anziehen.“ Hedna schmeißt ihm dieselben Kleider wie gestern hin. „Und duschen?“, fragt Peter scheu. „Dafür gibt es den Samstag.“ Sie steuert direkt durch diese Badewaschküche hindurch über den Flur in die Küche. Bis Peter kommt, steht nur noch seine Tasse mit warmer Milch und einer Art Schokoladengemisch darin auf dem Tisch sowie ein Teller mit drei dick geschmierten Konfitürenbrotscheiben. Hedna wäscht bereits das Geschirr von ihr und Großonkel Hans ab. „Im Fernsehen haben sie gebracht, dass es dieses Jahr mehr Unwetter geben wird als in den Vorjahren. Räben putzen ist eine harte Arbeit. Willst du mitkommen oder bleibst du hier?“
So ganz alleine hier?, denkt Peter. Ihm wird ganz flau im Magen.
„Die Nachbarin, Frau Junker, hat mir gesagt, dass drei ihrer Enkelkinder ein paar Tage zu ihnen kommen. Du kannst hinübergehen und mit denen spielen.“
Peter nickt stumm und stopft sich riesige Bissen in den Mund. Gleichzeitig durchtränkt er die großen Brocken mit dem Milchschokoladengetränk, das ganz anders schmeckt als das zu Hause. Aber so werden die Brocken weicher und rutschen besser den Hals hinunter. Von draußen ertönt eine mickrige Hupe.
„Das ist Hans. Ich muss gehen. Stell alles hier auf den Spültrog.“ Wie im Flug zieht sie sich eine schwere, braune Jacke über, schlüpft in die Stiefel, keift „ICH KOMME!“ und ist weg.
Jetzt geht Peter das Frühstück langsamer an. Verloren hockt er auf seinem Taburett und isst. Das Küchenfenster über dem Spültrog ist schmal und so hoch oben, dass er nur ein Stück grau verhangenen Himmel sehen kann. Im Rücken gibt es auch ein Fenster, aber der dicke Vorhang lässt keinen Blick nach draußen zu. Ihm wird unwohl.
Von oben hört er Schritte. Tante Magda, denkt er. Wie sieht sie aus? Er erinnert sich nicht mehr richtig an sie. Plötzlich donnert ein lautes Poltern durch den Gang. „Post ist da!“ Klatsch! Der Postbote lässt alles im Flur neben die Tür fallen. Dann donnert der Messingring, der die Hausglocke ersetzt, zweimal. Damit quittiert der Pöstler sein Kommen und Gehen. Oben werden die Schritte schneller. Peter rutscht vom Taburett und schleicht zur Flurtür. Vorsichtig späht er nach links zur Vordertür. Jetzt geht oben eine Tür auf. Peter schielt nach rechts oben. Tante Magda hüpft die hölzerne Treppe hinunter und summt ein Lied, trippelt auf dem Zwischenboden eine Sondereinlage und tänzelt die letzten Stufen hinunter auf die Bodensteinplatten. Erwartet die ein Paket, dass die sich so auf die Post freut?, fragt sich Peter. Er würde das tun. Er weicht zurück, damit sie ihn nicht sieht, wagt sich wieder leicht nach vorne und verfolgt sie mit seinem Blick. Sie öffnet die Tür. Die ist so groß, dass nur ein Teil davon aufgeht. Sie schaut nach draußen, als prüfe sie, ob sie den