: Thomas Bernhard
: Verstörung
: Suhrkamp
: 9783518743898
: 1
: CHF 12.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 208
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Ein Landarzt aus der Steiermark nimmt seinen Sohn auf Visite mit, einen Tag lang. Fälle präsentieren sich, wie eine Landpraxis sie bringt, Fälle, wie sich zeigt, die jenseits medizinischer Möglichkeiten erst beginnen.



<p>Thomas Bernhard, 1931 in Heerlen (Niederlande) geboren, starb im Februar 1989 in Gmunden (Oberösterreich). Er zählt zu den bedeutendstenösterreichi chen Schriftstellern und wurde unter anderem 1970 mit dem Georg-Büchner-Preis und 1972 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Der Suhrkamp Verlag publiziert eine Werkausgabe in 22 Bänden.</p>

Sich mehr und mehr seiner auf die »höhere Exaltation und auf die höhere Spekulation konzentrierten Geistesmechanik« (Vater) fügend, in seinen Schwächezuständen, selbst in dem ihm im Laufe der letzten Monate zur unerträglichsten aller Qualen gewordenen Zustand in seinen von ihm ganz allein mit sich selber in seinem festverriegelten Zimmer geführten »masochistischen Diskussionen« (Vater), die er auch während des Englandaufenthaltes seines Sohnes nicht unterbrochen und, wahrscheinlich aus der Tatsache heraus, bis an sein Lebensende in Hochgobernitz existieren zu müssen, mit der größten Rücksichtslosigkeit vor allem gegen sich selbst in eine Höhe gelenkt hat, die, auf die infame Irritation konzentriert, die äußerste Anspannung seines Geistes erfordert, eine immer noch rücksichtslosere Anspannung seines Geistesvermögens, »folgerichtig in alle naturwissenschaftlichen Phänomene hinein« (Saurau), habe er diese für ihn »tödlichen Geräusche« (Vater), auch während er in der vergangenen Nacht die Memoiren des Kardinals Retz studiert hat, gehört, »hören müssen«, erinnerungsunfähig, was den Zeitpunkt, von welchem an er diese Geräusche anzuhören gezwungen sei, betrifft. Ununterbrochen höre er sie und könne nicht mehr einschlafen und fürchte sich vor diesen Geräuschen mehr und mehr. Tag und Nacht sei er in den letzten Wochen von diesen Geräuschen (»Antitypien«? [Vater]) durchdrungen, verstört, andauernd durch diese Geräusche auf die grauenhafteste Weise in seinen eigenen Tod »hineinprojiziert«.

Daß er sich genau in dem Grade, in welchem er glaubt, sich der Welt entziehen zu müssen, ihr ausliefere, sagte der Saurau: »Wir denken phantastisch und sind müde«, sagte er. In der »Perfektion der Erschöpfungsmöglichkeiten« habe der Saurau Hochgobernitz, Hochgobernitz schließlich ihn, den Saurau, verfinstert. »Die Analogien sind tödlich«, ist einer seiner immer wiederkehrenden entscheidenden Sätze.

Während seine Familie, »diese ununterbrochen infame Geistesamputation« (Saurau), die hier unter seinem Namen in Hochgobernitz herrscht und ihr »alltägliches Leben« als eine »von Hunderten und Tausenden von bestürzendenGeisteskleptomanien und mit der rettungslosen Hilflosigkeit, für die sie erzeugt ist, in erster Linie in ihre Körper und in zweiter Linie in ihre Köpfe aus den größten Entfernungen in sich hineininhaliert«, sei er, Saurau, mitten unter ihnen, in ihrer »katastrophalen Gesellschaft«, von diesen Geräuschen (»Innerirdischen Eruptionen?« [Vater]) betroffen. Getöse beherrsche ihn. Sein Gehirn (»Einbruch von Wasser in seit Urzeit Ausgetrocknetes?« [Saurau]), qualvoll als für die ganze Menschheit mißbrauchte Membran, in der diese Geräusche (»Eine Verwandlung dessen, was ist, in ein anderes, das sein wird?« [Saurau]) immer gewesen