: Karl Philipp Moritz
: Reisen eines Deutschen in Italien in den Jahren 1786 bis 1788 Reisebericht in Briefen
: e-artnow
: 9788026841227
: 1
: CHF 1.80
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 780
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dieses eBook: 'Reisen eines Deutschen in Italien in den Jahren 1786 bis 1788' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: 'Die Sonne röthete noch die Spitzen der umliegenden Berge, als wir heute Abend in diesem reizenden Thale anlangten. Diese stillen Gründe, dies rundum von Bergen eingeschloßne Thal, dieser Orangenwald, und dieser duftende Myrthenhain, locken den entzückten Wanderer in ihre Schatten, der hier, von der übrigen Welt gesondert, in süßer Einsamkeit seine Tage verleben möchte. Ein so reizendes Thal, als das, worin Fondi liegt, habe ich noch nie gesehen. Diese Gegend bezaubert meine Sinne, weil sie alles übertrift, was meine Einbildungskraft sich noch bisher gedacht hat. Was ich von Myrthenhainen und duftenden Wäldern früh in Dichtern las, und was der bloße Klang der Worte in schwachen Schattenbildern mir vor die Seele mahlte, das alles erhielt nun hier erst Wahrheit und Wirklichkeit, und dieser Anblick gewährt mir einen neuen Aufschluß in die Dichterwelt.'' Karl Philipp Moritz (1756-1793) war ein vielseitiger Schriftsteller des Sturm und Drang, der Berliner Aufklärung und der Weimarer Klassik, der auch der Frühromantik Impulse gab. Er hatte ein bewegtes Leben als Hutmacherlehrling, Schauspieler, Hofmeister, Lehrer, Redakteur, Schriftsteller, Spätaufklärer, Philosoph und Kunsttheoretiker.

[Von Verona nach Rom.]


Romam quaero!

[Ankunft in Verona.]

Verona, den 2. Oktober 1786.

Das dort, ist nun hier geworden, mein lieber! Die zackigten Tyroleralpen, durch welche wir uns in manchen Krümmungen gewunden haben, sind hinter uns, und ich betrete nun den Boden des Landes, wohin ich so oft mich sehnte, das mir mit seinen Monumenten der Vergangenheit zwischen immer grünen Gefilden so oft in reizenden Bildern vorschwebte, und den Wunsch des Pilgrims in mir weckte, die heiligen Plätze zu besuchen, wo die Menschheit einst in der höchsten Anstrengung ihrer Kräfte sich entwickelte, wo jede Anlage in Blüthen und Frucht emporschoß, und wo beinahe ein jeder Fleck durch irgend eine große Begebenheit, ober durch eine schöne und rühmliche That, welche die Geschichte uns aufbewahrt, bezeichnet ist.

Aber dorthin eil' ich, wo auf den sieben Hügeln, das Größte und Glänzendste, was einst der Erdkreis sahe, sich gründete und bildete, und wo noch itzt die Kunst bei den erhabensten Ueberresten der Vorzeit ihren festen Wohnsitz findet; von jenem höhern Standpunkte aus, will ich meine Blicke auf diesen großen Schauplatz heften, und von dort aus meine Wanderungen anheben.

Deswegen erwarten Sie, mein theuerster Freund, ja nicht eher irgend etwas Ganzes oder Ausführliches, als aus Rom, von mir. Denn bis dahin reise ich nicht eigentlich, sondern eile dem Ziele der Wallfahrt zu, das mein Verlangen stillen, und meine Wünsche befriedigen soll, und welches ich eine Zeitlang wie meine Heimath betrachten will.

Jetzt ist mir meine Ankunft in diesem schönen Lande noch wie im Traume. — Als wir gestern Nacht nur wenige Meilen von Verona waren, brach uns ein Rad am Wagen. — In der Nähe war kein Dorf, und es dauerte einige Stunden, bis unser Fuhrwerk wieder im Stande war.

Ich setzte mich auf einen Stein am Wege, — es wehte eine angenehme Luft, und nach, und nach wurden die Gegenstände sichtbar. — Dicht vor mir lag ein Feld mit Bäumen bepflanzt, an welchen Reben hingen. —

Nun kam schon ein Winzer mit der Leiter in der Hand, und setzte sie an einen Baum, um sei