: Franz Blei
: Himmlische und irdische Liebe in Frauenschicksalen
: OTB eBook publishing
: 9783958640603
: 1
: CHF 1.80
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: Erzählende Literatur
: German
: 201
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Franz Blei (* 18. Jänner 1871 in Wien, † 10. Juli 1942 in Westbury, New York, USA) war ein österreichischer Schriftsteller, Übersetzer und Literaturkritiker. Franz Blei machte sich auch als Literaturkritiker einen Namen. In der von ihm mit Carl Sternheim veröffentlichten Zeitschrift Hyperion debütierte Franz Kafka. Als Übersetzer verdanken wir ihm unter anderem die Werke von Charles Baudelaire. (Auszug aus Wikipedia)

Messalina


Die Legende hat ihren Namen zum Symbol gemacht und ihr Wesen zu einer Monstrosität. Eine übermäßige Sinnlichkeit wird dem Manne gut, der Frau schlecht geschrieben, gilt dort als Vorzug, hier als Laster. Die antike Welt schätzte die Keuschheit, aber nicht weniger auch deren Gegenteil: sie gab beiden Lebensäußerungen kultische Formen.

Auch wenn man den Skandalschriftstellern und Pamphletisten Roms, die sich über die Kaiserin ausgelassen haben, nicht alles glauben will, bleibt genug. Sie hat Liebhaber vergiften lassen oder ihnen befohlen, sich die Adern zu öffnen. Aber äußerste Macht über Menschen hat zu allen Zeiten jene, die sie innehatten, trunken gemacht, und die Verlockung, sich von jenen zu befreien, die man liebte und nicht mehr liebt, ist groß. Besonders wenn sie lästig werden. Rom hat den Tiberius und den Caligula gehabt – nach ihnen mußte ihm die Herrschaft des Claudius und der Messalina fast als ein paradiesischer Zustand erscheinen.

1. Messalina. Nach einer antiken griechischen Münze

Verschliffene Kameen geben ein undeutliches Bild dieser Frau und vor allem einen wichtigen Zug nicht: den Blick ihrer tiefgrünen Augen. Das Gesicht ist auffallend kindlich, von runder, klarer, weiblicher Form, aufgebaut auf einem soliden, festen, fast viereckigen Kiefer. Überreich quillt das Haar tief in die ganz kurze Stirn, ein Zeichen mächtigen fruchtbaren Blutes. Das Gliederwerk ihres Leibes war von höchster Zartheit. Fein und weiß die Haut bis auf eine kleine Stelle innen am rechten Oberschenkel, wo alle Salben der Welt ein behaartes Fleckchen nicht wegzubringen vermochten. Und Messalina verstand sich auf Salben und Parfüme, deren sie selber viele erfand, auf Bäder und auf Spiegel, von denen sie eine berühmte Sammlung besaß in jedem Material und in allen Formen.

Stand ihre Art unter dem nichts als animalischen Zeichen jenes Fleckchens am Oberschenkel? Suchte sie nichts als die sinnliche Lust des Augenblickes im ständigen Wechsel? Oder das fleischgewordene Abbild eines Mädchentraumes, der sie zum erstenmal besessen hatte ohne sie zu besitzen?

Ein alt-römischer Hochzeitsbrauch verlangte, daß die Braut vor der Eheschließung auf dem Hausaltar ihr Kinderspielzeug niederlegte: die Götter empfangen das bisnun Geliebte. Messalina opferte einen kleinen bronzenen Phallus.

Der alte Gartengott, aus Feigenholz und rot bemalt an seiner vorragenden Stelle, war in diesen kaiserlichen Tagen der Göttereinfuhr aus allen Zonen zu städtischen Ehren gekommen, wenn auch nur zu bescheid