: Else Ury
: Nesthäkchen und der Weltkrieg
: OTB eBook publishing
: 9783956764882
: 1
: CHF 1.70
:
: Erzählende Literatur
: German
: 174
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

“Nesthäkchen und der Weltkrieg” schildert Annemaries Erlebnisse im Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1916. Annemaries Vater, Dr. Braun, ist als Soldat und Stabsarzt in Frankreich. Auch die Mutter ist abwesend: Sie weilte bei Kriegsausbruch bei ihrer Kusine Annchen, die mit dem Engländer John verheiratet ist, und kann nicht nach Deutschland zurück, da sie aufgrund einer Nervenkrise die letzte Abreisemöglichkeit für Deutsche verpasste. Von ihren Briefen treffen nur einige bei ihrer Familie ein. Während der Abwesenheit der Eltern kümmern sich die Großmutter, das Kindermädchen Lena und die Köchin Hanne um Annemarie und ihre Brüder. (Auszug aus Wikipedia)

2. Kapitel. »Extrablatt!«


Hanne, die treue Alte, die Doktors Nesthäkchen schon auf den Armen getragen, war ganz aus dem Häuschen durch die Kriegsaufregung und die vielen Reden ihrer Freunde, des Grünkramhändlers, Milchmanns und Portiers. Sie wußte gar nicht mehr, was sie tat.

Auch heute legte sie Großmama neben die Kaffeekanne zu Nesthäkchens heimlichem Entzücken die silberne Suppenkelle hin.

»Ei, Hanne, soll ich den Kaffee mit der Kelle austeilen«, Großmama lachte mit ihrem Enkelchen um die Wette.

»Nein, wir sollen sie gewiß als Kaffeelöffel benutzen und den Zucker in der Tasse damit umrühren«, rief Annemarie übermütig.

»Nee, diese Russen, die machen mich doch reine varrickt«, Hanne griff kopfschüttelnd nach dem etwas groß geratenen Kaffeelöffel.

»Na, warten Sie nur, Hanne, wenn die Russen erst vor Berlin stehen, dann wird's noch ganz anders sein«, neckte Nesthäkchen. Es kannte die Russenfurcht der treuen Seele.

Die war denn auch gleich Feuer und Flamme.

»Um Jottes willen, tu dir nich versündigen, Kindchen. Bis vor Küstrin sollen ja schon die Kosaken streifen, hat der Portier, der heut mit sein Rejiment fortjemacht is, jesagt. Und der Milchmann hat heut morjen janz deutlich Kanonendonner jehört. Und was der Jrünkramfritze von nebenan is, der meint, kommen tun se sicher, die Russen, indem daß wir nämlich zu ville Feinde haben. Mit eenen werden wa woll fertig, aber nich mit det viertel Dutzend!« Hanne reckte ihre dicken, roten Arme, als sei ihr die schwere Aufgabe zugefallen, ganz allein Deutschland gegen all seine Feinde zu verteidigen.

»Na, beruhigen Sie sich nur, Hanne«, Großmama, die sich vor kurzem selbst deshalb Sorgen gemacht, schaute jetzt belustigt drein. »Unsere tapferen Feldgrauen werden uns schon vor russischem Besuch zu schützen wissen. Auf sie müssen wir vertrauen in dieser schweren Zeit. Vor allem aber auf den Helfer da droben!«

»Jotte doch, ja – wenn man der Herr Doktor und unsere jnädige Frau zu Hause wären, denn wär' mich auch lang' nich so miesepetrig zumut. Aber so auseinanderjerissen, wie man nu is, da fiehlt man natierlich die Verantwortung für die janze Familie. Denn Jroßmamachen ist doch auch jrade kein Jüngling nich mehr. Und man is doch nu schon über zehn Jahr im H