Meine erste Umgebung.
Wer in Rom gewesen ist, kennt die Piazza Barberini, jenen großen Platz mit der schönen Fontäne, die den Triton mit der sprudelnden Muschelschale darstellt, aus welcher das Wasser mehrere Ellen in die Höhe springt; wer nicht dagewesen ist, kennt ihn doch aus Kupferstichen; schade nur, daß sich auf diesen nicht das Eckhaus an der Via Felice befindet, das hohe Eckhaus, wo das Wasser durch drei Röhren aus der Mauer und in das steinerne Bassin hinabströmt. – Dieses Haus hat ein besonderes Interesse für mich, denn dort wurde ich geboren. Werfe ich einen Blick in meine frühste Kindheit zurück, was ist da für ein Wirrwarr bunter Erinnerungen! Ich weiß selbst nicht, wo ich beginnen soll. Betrachte ich das ganze Drama meines Lebens, ja dann weiß ich noch weniger, wie ich es darstellen soll, was ich als unwesentlich übergehen muß, und welche Punkte hinreichend sind, um das ganze Bild wiederzugeben. Was für mich interessant ist, bleibt es vielleicht nicht für einen Fremden. Wahr und natürlich will ich das große Märchen meines Lebens erzählen, aber die Eitelkeit kommt doch mit ins Spiel, die schlimme Eitelkeit: die Lust zu gefallen! Schon in meiner Kinderwelt schoß sie wie ein Unkraut auf und wuchs dann wie das biblische Senfkorn hoch gen Himmel empor und wurde ein mächtiger Baum, worin meine Leidenschaften ihr Nest bauten. Eine meiner ersten Erinnerungen weist darauf hin. Ich war wohl schon sechs Jahre alt; ich spielte drüben an der Kapuzinerkirche mit einigen andern Kindern, die alle jünger als ich waren. An die Kirchenthüre war ein kleines Messingkreuz angeschlagen; es saß ungefähr mitten auf der Thür, und ich konnte gerade mit der Hand heranreichen. So oft meine Mutter mit uns dort vorübergegangen war, hatte sie uns emporgehoben, um das heilige Zeichen zu küssen. Als wir Kinder nun miteinander spielten, fragte eines der kleinsten, weshalb doch das Jesuskind niemals käme und mitspielte. Ich war nun der Klügere und antwortete, daß er ja am Kreuze hinge. Wir gingen nun zu demselben hin und obgleich wir es leer fanden, wollten wir doch, wie es uns die Mutter gelehrt hatte, Jesus küssen. Wir konnten jedoch nicht so hoch reichen, hoben deshalb einander in die Höhe, aber während wir den Mund zum Kusse spitzten, verließen den, welcher uns trug, die Kräfte, und der Küssende fiel gerade