Erstes Kapitel. Gute Nachrede.
»Sie war eine Biederfrau.«
»So gibt's wenig mehr.«
»Sie war noch von der alten Welt.«
»Man hat kommen können, wenn man gewollt hat, man hat Hilfe und Rat bei ihr gehabt.«
»Und wie viel hat sie erlebt, hat vier Kinder begraben und ihren Mann und ist doch immer so fröhlich und fromm gewesen!«
»Ja, der Lenz wird sie schwer vermissen. Er wird jetzt erst spüren, was er an solch einer Mutter gehabt hat.«
»Nein, der hat das bei Lebzeiten gewußt, er hat sie auf Händen getragen.«
»Er wird jetzt bald heiraten müssen.«
»Er kann wählen, wen er will; er kann an jedem Haus anklopfen, man macht ihm auf, so geschickt und so brav, wie er ist.«
»Und ein schönes Vermögen muß auch da sein.«
»Und er erbt seinen reichen Ohm, den Petrowitsch.«
»Wie schön hat der Liederkranz gesungen. Das geht einem durch Mark und Bein!«
»Und wie muß das erst den Lenz angegriffen haben! Er hat ja sonst auch immer mitgesungen, er ist einer der besten.«
»Ja, bei der Predigt hat er nicht geweint, aber wie die Kameraden gesungen haben, da hat er geweint und geschluchzt, daß man meint, es stößt ihm das Herz ab.«
»Das ist das erste Leichenbegängnis, bei dem der Petrowitsch nicht aus dem Ort gegangen ist. Es wäre auch schändlich, wenn er seiner einzigen Schwägerin nicht die letzte Ehre erwiesen hätte.« –
So redeten die Menschen auf allen Wegen, das Thal entlang, die Berge hinan. Sie gingen alle in dunklen Kleidern, denn sie kamen von einem Leichenbegängnis. Drunten an der Kirche, wo wenige Häuser stehen – das Löwenwirtshaus breit und groß in der Mitte – dort hatte man die Witwe des Uhrmachers Lenz von der Morgenhalde begraben, und überall hörte man gute Nachrede; es war allen etwas genommen, da die brave Frau von der Erde genommen war. Die Menschen waren tief bewegt, die Trauer war noch in jedem Angesicht zu lesen; denn wie ein neuer Schmerz alle alten aufweckt, so hatten die Menschen, nachdem das frische Grab zugeschüttet war, die Gräber der eigenen Angehörigen aufgesucht und dort den Abgeschiedenen still nachgetrauert und still gebetet. –
Wir sind im heimischen Uhrmacherbezirk, in jenem waldigen Gebirgsstock, wo von der einen Seite die Wasser nach dem Rheine abfließen, von der andern der nicht weit davon entspringenden Donau zu. Die Menschen haben etwas Gelassenes, still Bedächtiges, die Zahl der Frauen ist viel