Der calvinistische Märtyrer
Wenige Leute wissen heutzutage noch, wie naiv die Behausungen der Pariser Bürger des vierzehnten Jahrhunderts waren und wie einfach sich ihr Leben abspielte. Vielleicht ist solche Einfachheit in Werken und Gedanken die Ursache der Größe dieser altenBourgeoisie gewesen, die wahrlich groß, frei und edler vielleicht als das heutige Bürgertum war. Ihre Geschichte ist noch zu schreiben, sie erheischt einen klugen Geist und harrt eines genialen Mannes. Von dem wenig bekannten Vorfall inspiriert, welcher den Grund zu dieser Studie bildet und sich als einen der bemerkenswertesten in der Geschichte des Bürgertums erweisen dürfte, wird nach dieser Erzählung die Bestätigung dieses meines eigenen Eindrucks sicherlich auf jedermanns Lippen zu lesen stehen. Wäre es etwa das erstemal, daß in der Geschichte die Schlußfolgerung vor den Geschehnissen steht?
Anno 1560 säumten die Häuser der alten Kürschnerstraße das linke Seineufer zwischen der Liebfrauenbrücke und Wechslerbrücke ein. Die öffentliche Straße und die Häuser nahmen den Platz in Anspruch, welcher von dem Fahrdamme des heutigen Quais ausgefüllt wird. Jedwedes über der Seine selber stehende Haus gestattete den Bewohnern auf steinernen oder hölzernen Treppen, die mit starkem Eisengittern oder Türen aus nägelbeschlagenem Holz verwahrt waren, zu ihr hinunterzusteigen. Wie die Venezianischen hatten diese Häuser ein Tor auf dem festen Lande und eine Wasserpforte. Im Augenblick, wo diese Skizze veröffentlicht wird, gibt es nur mehr ein einziges Haus, welches an das alte Paris zu erinnern vermag, und auch das wird bald verschwinden; es steht in der Ecke der kleinen Brücke gegenüber dem Pförtnerhause des großen Spitals. Früher zeigte jede Behausung auf der Flußseite die wunderliche Physiognomie, welche ihm, sei es der Beruf des Mieters und seine Gewohnheiten, sei es die Originalität der Bauwerke aufprägten, die von den Besitzern zur Benutzung oder zur Ausnützung der Seine erfunden worden waren. Brücken hatte man gebaut und fast alle waren sie durch mehr Mühlen versperrt worden, als bei den Bedürfnissen der Schiffahrt zulässig sein mochten, daher zählte man in Paris denn ebensoviele geschlossene Wasserbecken wie Brücken. Bestimmte Wasserbecken dieses ehemaligen Paris würden der Malerei köstliche Farbentöne dargeboten haben. Welch einen Wald stellten nicht die gekreuzten Balken dar, welche die Mühlen, ihre riesigen Schützen und ihre Räder stützten! Welch seltsame Wirkungen erzeugten die Stützbalken, die eingeraumt worden waren, um die Häuser über den Fluß auszubauen! Leider gab es dazumal noch keine Genremalerei und die Stecherkunst lag noch in den Windeln; verlustig gegangen sind wir also