Beistellherd
Moderne Heizungstechnik macht den Nutzer von einem Spezialisten abhängig, der ihm beim ersten Defekt einen Wartungsvertrag aufschwätzt. Manchmal habe ich intelligentere Versionen gesehen – in einer Schweizer Stadt, ich glaube es war Winterthur, standen in einer Kunstgalerie wunderschöne, komplexe Gebilde aus Eisenguß und Kupfer: Es waren Ölbrenner und Heizkessel, die ein Künstler entworfen hatte.
Der Gedanke, das Feuer nicht in einem Keller unter einer Verkleidung seine Arbeit tun zu lassen, sondern im Wohnzimmer, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Er könnte dazu führen, dass auch ein Ölbrenner wieder intelligent wird, das heißt so gestaltet, dass sein Anblick uns belehrt und seine Funktionen sich uns so erschließen, dass wir im Umgang mit ihm Kompetenzen gewinnen, die darüber hinausgehen, die Nummer der Störstelle aus einem Prospekt zu fingern.
Zur Zeit der Holz- und Kohleöfen waren solche sinnlichen, belehrenden Konstruktionen allgemein zugänglich. Es gab eine Periode, in der Techniker und Handwerker wetteiferten, möglichst formschöne und funktionssichere Gebilde zu schaffen, mit denen verglichen die heutige Auswahl an Öfen kläglich, auf wenige, simple Modelle reduziert ist, deren elender Schluss der »Beistellherd« ist, das letzte Herdkapitel im Haushalt meiner Mutter.
Äußerlich war er nicht mehr von einem Gas- oder Elektroherd zu unterscheiden, verkleidet in weißes Emailblech, ohne jeden Blick auf seine Aufgabe. Weil sie das Feuer in der Küche nicht missen wollte – es konnte doch wieder einmal eine Zeit kommen, in der die Zentralheizung nicht funktionierte – und im Garten soviel Holzabfälle hatte, schaffte sie den Holzherd nicht ganz ab. Aber der Beistellherd war eine Fehlkonstruktion. Durch winzige, hinter der Verkleidung schwer zugängliche Türchen passte nur zerkleinertes Holz. Es war ein Ofen, der sich seiner schämte und sich versteckte, weil seine Konstrukteure nicht mehr stolz auf ihn waren, sondern nur noch verhindern wollten, dass er neben Kühlschrank und Siemensherd auffiel. Wenn unterschiedliche Geräte nicht mehr ihren Charakter zeigen dürfen, sondern hinter einheitlichen Verkleidungen verschwinden, dann ahnen wir, dass sie auch anfangen, dumm zu werden.
Meine bäuerliche Großmutter machte jeden Tag dreimal ein Kochfeuer in dem großen Küchenherd. Abgesehen von einem Streichholz und einem Fetzen des »Altöttinger Liebfrauenboten«, den ich – in Vierecke geschnitten – auch vom »Häusl«, dem Plumpsklo, her kannte, brauchte sie nichts, was sie nicht selbst gemacht hatte.
Das Holz kam aus dem Auwald. Äste und Zweige, die heute als Abfall verfaulen, wurden mit einem breiten, flachen Beil, wie es auch Metzger haben, in anderthalb Spannen lange Stücke geschnitten, mit einem Weidenzweig fest zusammengeschnürt und dann zum Trocknen aufgeschichtet. Auf dem Dachboden der Werkstatt lagen immer große Mengen trockener Wiedbündel. Sie brannten willig; das Teewasser wurde so schnell warm wie auf einem Gaskocher. Die Oma nahm immer einige Ringe aus dem Herd und hängte einen nach unten hin verjüngten Topf direkt in die Flammen.
Im Winter, wenn die Küche als einziger Raum geheizt wurde, kamen stärkere Scheite dazu, ebenso beim Dreschen, wenn auf demselben Ofen große Mengen Schmalznudeln in einem schwarzen Topf voll zerlassener Butter schwammen.
Wer die Rechnungen der Konzerne für Strom, Gas und Wasser bezahlt, entdeckt keinen sinnlichen Zusammenhang zwischen seiner Arbeit und der Energie, mit der er seine Speisen kocht und sich vor der Kälte schützt. Damit verliert er auch die Möglichkeiten, wie von selbst zu lernen, was er später nur in großer Selbstdisziplin wieder erwerben kann: das Bewusstsein über die Endlichkeit von Energiereserven.
Die Bäuerin an ihrem Herde spart mit der kostbaren Energie, weil sie jeden Zweig selbst gehackt und geburtelt (das heißt in das Bündel geschnürt) hat. Sie ist – ähnlich ihrer Schwester, die das Brauch- und Trinkwasser vom Brunnen holt – für das Leben in den Metropolen kein direktes Vorbild mehr, weil in der Massenhaltung von Menschen ganz neue Umweltprobleme entstehen würden, wenn wir zu archaischen Techniken zurückkehren. Aber sie bleibt ein Modell, wie einfach Umweltlernen sein kann und wie schwer es uns die Konsumgesellschaft durch die Gedankenlosigkeit ihrer Versorgungsstrukturen macht.
Vom Feuer lernen
Der älteste Herd war das Feuer in der Höhle, in der Erdhütte, im Wigwam oder im Zelt. Die Feuerstelle ist in Steine gefasst; sobald es gemauerte Häuser gibt, wird auch der Herd gemauert, er ist höher als seine Umgebung.
In toskanischen Bauernhäusern, deren Architektur sich seit der Zeit der Etrusker nur wenig geändert hat, ist der Herd aus groben Steinen geschlichtet und etwa kniehoch, ein Kompromiss zwischen der Unbequemlichkeit, sich zu bücken, und der anderen Unbequemlichkeit, das Feuerholz hochheben zu müssen und nicht, wie es der alte Höhlenherd möglich machte, einfach einen dicken Stamm hereinzuschleppen und über die Glut zu ziehen.
Ein offenes Feuer zehrt unersättlich. Wer je an kalten Wintertagen eines unterhalten hat, der ist froh um einen niedrigen und großen Kamin. Alte toskanische Kamine nehmen in aller Regel Klafterscheite (so lang, wie ein erwachsener Mann die Arme breiten kann, von Fingerspitze zu Fingerspitze); sie brennen in der Mitte durch und können dann noch einmal aufgelegt werden.
Anfangs dachte ich, dass es gar nicht möglich ist, mit einem offenen Kamin eine zugige Küche bei Außentemperaturen um den Gefrierpunkt wohnlich zu erwärmen. Das änderte sich, sobald einige trockene Kastanienstämme in Asche verwandelt waren. Immer weniger musste die innere Wärme durch Holzholen und Holzsägen herhalten, um den Mangel an Zufuhr von außen auszugleichen. Die dicken Steine in der Rückwand des großen Kamins begannen, die gespeicherte Hitze abzustrahlen. Die zugige Wohnküche mit ihren vier Türen war nach einigen Tagen so angenehm temperiert, wie man es anfangs nicht denken mochte.
Die offene Feuerstelle im Haus ist in den Glanzpapierzeitschriften ein Luxus, neben dem Birkenscheite liegen, die mit Hartspiritus angezündet werden; kein Bewohner käme auf den Gedanken, Wasser in einem Kessel über diesem Feuer zu wärmen, sein Frühstück darauf zuzubereiten oder herauszufinden, wie gut das Abfallholz aus seinem Garten brennt.
Feuerholz
In den alten Landwirtschaftslexika, von denen ich bei Antiquaren zwei aufgetrieben habe, ist bei jedem Baum beschrieben, wie gut sich sein Holz für das Feuer eignet. Dass Buche, Eiche und Birke gut sind, weiß jeder. Olivenholz und Robinie brennen womöglich noch besser. Aber alle werden vom Wacholder übertroffen. Baumheide (Erika) brennt auch grün; alles andere Holz muss mindestens ein Jahr trocknen. Pinienäste sind ungeeignet, sie rauchen und explodieren, sodass brennende Holzteile meterweit in die Küche fliegen.
Einige Zeit verbrannte ich am liebsten die Schlehenstämme, die zehn Jahre lang große Teile der früheren Felder um das Haus fast unzugänglich gemacht hatten und dann im Schatten der aufgekommenen Eichen und Kastanien starben. Sie hatten mich geärgert und gestochen, sodass ich jetzt mit Freude ihre Stacheln im Feuer aufglimmen und zerfallen sehe.
Öl, Gas, Elektrizität sind dem Feuerholz feindlich. Sie werden geliefert und lehren uns nichts außer Bequemlichkeiten. Das Feuerholz liegt im Wald und verrottet, die nicht ausgelichteten Stämme nehmen anderen Luft und Platz weg, die Waldbauern müssen sich ihren Lebensunterhalt als Fernfahrer oder Gasableser verdienen.
Kein Herd oder Ofen kann das offene Feuer ersetzen; er hat praktische Vorteile, aber diese hängen mit einer Entsinnlichung zusammen, und von dieser haben wir in unserer Dummdingwelt genug. Der wichtigste Vorteil ist die Sparsamkeit: Wenn ich einen Ofen schüre, kann ich mit erheblich geringerem Verbrauch von Holz oder Kohle dem Raum mehr Wärme zuführen. Die Wärme ist ferner, indirekter, – ich habe schon einmal von dem alten Bauern erzählt, der sich weigerte, sich wie die anderen an dercucina economica (so heißt in Italien der Küchenherd) zu wärmen, sondern ein Kaminfeuer brauchte. Aber sie ist auch nachhaltiger, besser zu kontrollieren, dauerhafter.
Alte Öfen und Herde sind Kunstwerke; viel Fertigkeit wurde aufgewendet, um Kacheln zu bemalen oder Platten mit Wappen, Reliefs und Ornamenten zu schmücken. Besonders beeindruckt haben mich in ihrer radikalen ökonomischen Eleganz die Kanonenöfen des Biedermeier, aus Ringen gegossen, die man wie Stapeltassen aufeinanderschichtet. In Nordamerika entwickelte sich eine blühende Holzofenindustrie, die mit chromgeschmückten, emaillierten Ungeheuern Saloons