InhaltsverzeichnisKapitel 4
Weil ich im ländlichen Kanada aufwuchs, hatten die Häuser, in denen wir lebten, keine Hausnummern. Deshalb war es für mich etwas Besonderes, als wir anfingen, in Häusern mit Nummer zu wohnen; es bedeutete, dass ich in einer Großstadt war. Als wir nach Toronto zogen, kam eine weitere Straße mit Hausnummern dazu, der Rose Park Drive. Ich war in der vierten Klasse und ging auf die Whitney Public School.
In diesem Jahr unternahmen wir einen großen Familienausflug nach New York City. Es war meine erste Reise dorthin, und als wir auf den New Jersey Turnpike fuhren, sah ich zwei Pontiacs, die neuen 1955er Modelle mit den zwei Chromstreifen auf der Motorhaube. Neue Autos tauchten immer zuerst in denUSA auf, und für mich war es aufregend, sie überhaupt zu sehen. Ich hielt ständig nach den neuesten Modellen Ausschau und kannte alle mit Namen. In New York gingen wir auf das Empire State Building, und ich stellte mich auf Zehenspitzen, um über die Brüstung zu schauen. Da stand ich, mit dem Kinn auf dem Zement, spähte über den Rand hinunter auf die Straße, wo sich winzige gelbe Taxen Positionskämpfe auf den Asphaltbändern lieferten. Von der Spitze des Gebäudes waren es fast 400 Meter bis auf die Straße. New York City war die größte Stadt, die ich in meinem jungen Leben gesehen hatte.
Zurück in Toronto lernte ich ein paar Kinder kennen, und um noch mehr kennenzulernen, startete ich einen Klub, den wir »St. Lawrence Committee« nannten. Ich hatte einen Stapel Karteikarten, und wir alle schrieben »St. Lawrence Committee« sowie unseren Namen darauf. Ich hatte diese Karten aus dem Arbeitszimmer meines Vaters. Die weißen Kartonkarten waren etwa acht mal zehn Zentimeter groß, blau liniert und sahen sehr förmlich aus. Wir waren ein exklusiver Klub, und ich war der Präsident. Wenn wir uns in der Pause trafen, war es ein gutes Gefühl, irgendwo dazuzugehören.
In der Nähe der Schule gab es einen Laden namens Dot’s, wo alle Kinder Lakritzbonbons kauften und sich herumtrieben. Gewöhnlich war dort ein Auto geparkt, an das ich mich besonders erinnere. Es hatte große Heckflossen und jede Menge Chrom. Ich glaube, es war ein DeSoto Firedome oder ein Dodge Adventurer. In der Fernsehwerbung wurde er »Forward Look« genannt. Ich war von diesem Wagen sehr beeindruckt und ging jeden Tag hin, um ihn mir anzuschauen. Ich kaufte für ein paar Cent Bonbons bei Dot’s und sah mir den Wagen an, stellte mir vor, ihn zu fahren und wie cool ich dabei sein würde. Er hatte eine Menge Knöpfe zum Drücken, und das war etwas ganz Neues. Man drückte sogar Knöpfe, um von einem Gang in den andern zu schalten. Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, wie man per Knopfdruck die Gänge schaltete. Dieses Auto war wie ein Raumschiff. Ich war bereits von Autos besessen. Ihr Design faszinierte mich. Die Motorleistung war interessant, aber vor allem das Styling erregte meine Aufmerksamkeit.
Im Laufe meines Lebens habe ich viele Autos gesammelt und habe mit jedem einzelnen viel erlebt. Sie waren ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich habe keine perfekten Autos gesammelt, teure oder exotische Autos. Nein, ich habe Autos gesammelt, weil jedes einzelne einzigartig war, und habe mir über ihren Zustand kaum Gedanken gemacht. Der größte Teil meiner stolzen Kollektion bestand aus Klapperkisten. Ich habe sie einfach geliebt, weil sie so aussahen, wie sie aussahen, und habe viel Freude daran gehabt, sie aus jedem Blickwinkel zu betrachten, während ich mir ihre jeweilige Geschichte vorzustellen versuchte und die Orte, an die sie gefahren sind. Sie haben zu mir gesprochen. Und ich habe mit ihnen gesprochen.
Ich möchte zwei kleine Autogeschichten erzählen. Meine Erinnerungen gehen manchmal durcheinander, ich bin mir also nicht sicher, was Orte und Zeitpunkte betrifft. Aber weil neue Modelle immer am Ende des Jahres vorgestellt wurden, das dem tatsächlichen Erscheinen des Autos vorausging, muss es Ende 1956 gewesen sein, denn diese Geschichten drehen sich um Wagen des Jahres 1957. Ich meine mich zu erinnern, dass sie in der Nähe des Rose Park Drive passierten, in der Gegend um die Whitney School, aber die habe ich Ende 1956 schon nicht mehr besucht. Ich lebte irgendwo anders. Hier also die erste meiner beiden Geschichten, aus tiefster Vergangenheit.