ls die ersten Paradiesvögel mit der »Victoria« am 8. September 1522 – neben einer kostbaren Gewürzladung – den Hafen von Sevilla erreichen, sind sie in einem Zustand, der kaum etwas mit dem lebenden Original gemein hat, geschweige denn etwas von ihrer faszinierenden Pracht vermitteln kann. Es sind trockene, um einen Stock gewickelte, federleichte Häute mit langen, seidigen, in schillernden Farben glänzenden Federn.Antonio Pigafetta (1491–1534), der die Weltumsegelung von Ferdinand Magellan auf der »Victoria«, einem der Schiffe der Flotte, als Chronist begleitet, schreibt:
»Diese Vögel haben die Größe einer Drossel, einen kleinen Kopf, einen langen Schnabel und Beine, die nicht dicker als eine Schreibfeder sind. Ihr Schwanz gleicht dem der Drossel, sie besitzen aber keine Flügel, sondern an ihrer Stelle verschiedenfarbige Federn, die Reiherfedern ähnlich sind. Die übrigen Federn sind dunkel. Diese Vögel können nur fliegen, wenn ein Wind weht. Man behauptet, dass sie aus dem Paradies kommen, und nennt sie Bolondinata, Vögel der Götter.«
Diese ersten Exemplare hat der Kapitän der »Victoria«, Juan Sebastián Elcano, als Geschenk vom Sultan von Batjan erhalten, bevor sie der Naturhistoriker Francisco Lopez de Gomara untersucht und festhält: »Wir sind der Ansicht, dass diese Vögel sich vom Tau und vom Nektar der Gewürzbäume ernähren. Aber wie dem auch sei, so viel steht jedenfalls fest, dass sie niemals verwesen.« Ihre Herkunft wird mit den in der Nähe derTerra australis incognita gelegenen Inseln angegeben.
Das ist nur der Beginn einer Legende, die über Jahrhunderte immer weiter gestrickt wird und einem Wettstreit zwischen den Kolonialmächten nahekommt. Vermutlich ist es gerade die Unbestimmtheit und Rätselhaftigkeit der Überreste dieser Vögel, die einen ganz eigentümlichen Mythos erzeugt. Sie sind exotische Kostbarkeit und Objekt der Begierde. Herbert Wendt vergleicht die Paradiesvögel mit der blauen Mauritius in der Philatelie: »Gekrönte Häupter, berühmte Sammler und namhafte Verleger versuchten einander in erbarmungslosem Konkurrenzkampf die seltensten Fundstücke und die besten Beschreibungen wegzuschnappen.«
Was lange niemand glauben will, obwohl Pigafetta früh darauf hingewiesen hat: Im Zuge der Präparation entfernen die Eingeborenen nicht nur das Fleisch und die Knochen, sondern auch die Füße und oft auch die Flügel. Bei den staunenden Empfängern der Bälge erzeugt das durchaus nachvollziehbar die Vorstellung, Vögel würden überhaupt niemals auf den Boden herabkommen, sondern fortwährend in der Luft schweben und dadurch noch einmal eine ganz eigene Ordnung unter den Vögeln bilden. Diesen Gedanken folgend, schreibt ein gewisser Bischof Simolus 1597: »Solange sie leben, führen sie ein Leben wie die Engel, sterbend aber fallen sie wie der Teufel aus dem Himmel, um nie wieder dahin zurückzukehren; somit sind sie ein Symbol für den sündigen Menschen, der plötzlich, aus der göttlichen Gnade verstoßen, in die Hölle stürzt.«
Selbst die Zeichnungen und Aquarelle aus dieser Zeit zeigen die Vögel nur unmerklich realistischer; der Glaube an das Wunderbare dieser Vögel ist zu stark, um sich gegen die unbestreitbaren Fakten durchsetzen zu können. Lange Zeit bleibt als entscheidendes Handicap, dass die Künstler die Tiere nicht leibhaftig in der Natur beobachten können. Der Antwerpener Maler Maarten de Vos (1532–1603) präsentiert in seiner farbenprächtigenAllegorie der Luft neben diversen Vögeln eben auch den kometengleich fliegenden, aber gnadenlos verstümmelten Balg eines Paradiesvogels. Ulisse Aldrovandi zeigt den Vogel in seinerOrnithologiae ebenfalls ohne Füße. Er versteigt sich sogar zu der Vermutung, dass den beiden Schwanzfäden die Funktion von Füßen zukomme. Zur Mitte des 17. Jahrhunderts ist die Fuß- und Flügellosigkeit als unrichtig entlarvt worden, dennoch tauchen sie etwa auf den Illustrationen des Matt