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Montag, 14. Februar 2005
Exárchia, 11:10 Uhr
Fontas schaute auf seine Uhr. 11 Uhr vorbei. Seit 4 Uhr früh hatte er nicht mehr schlafen können. Der Regenguss, der genau dann losgegangen war, hatte ihn geweckt und seitdem hatte er keinen Schlaf mehr finden können. Seit einigen Monaten schon wachte er dauernd auf.Die Psychologen sehen das als Zeichen von Depression an, dachte er und lächelte bitter. Er war aufgestanden, hatte sich Kaffee gemacht, und dann auf den bequemen Couchsessel von Sonia gesetzt, langsam seinen Kaffee getrunken, geraucht und auf den Tagesanbruch gewartet. Er hatte den Sessel gegenüber von der Balkontür aufgestellt, um den Lykavittos, den Stadtberg Athens, sehen zu können. Das war der einzige Grund gewesen, warum er diese enge Zweizimmerwohnung gemietet hatte. Sie lag im fünften Stock, und das Schlafzimmer, das im hinteren Teil lag, war mit Blick zwischen zwei Hochhäusern hindurch. So hatte er vom Balkon aus den Lykavittos wie auf einem Tablett serviert vor sich. Da beobachtete er jeden Morgen den Tagesanbruch, da überkam ihn abends die Müdigkeit, in Gesellschaft eines leeren Glases.
Er trank seinen Kaffee aus (es war der vierte, seit er um 5 Uhr schließlich vom Bett aufgestanden war) und er zählte die Kippen in seinem Aschenbecher: zwölf.Bravo, heute hast du den Rekord gebrochen, gratulierte er sich selbst. Er stand schwerfällig und steif auf und zog seine alltägliche Kleidung an: schwarze Jeans, ein olivgrünes Cordhemd, schwarze Strickjacke. Er ging zum Spiegel, um seine grau gewordenen schwarzen Haare zu kämmen und ihm fiel auf, wie tief die Falte zwischen seinen Augen geworden war.
»Es wird Zeit sich in den Laden aufzumachen. Sonst schlägst du hier noch Wurzeln«, sagte er laut.
In letzter Zeit sprach er immer häufiger mit sich selbst. Ob das auch ein Zeichen von Depression war?Ach was, ich werde bloß alt und klapprig, das ist alles. Er nahm seine dicke schwarze Jacke mit der Kapuze vom alten Garderobenständer, zog sie an, nahm seine Schlüssel und verließ die Wohnung. In dem Moment, als er in den Fahrstuhl stieg, hörte er sein Telefon klingeln, aber es war ihm egal. Seit gestern früh klingelte es fast alle halbe Stunde, er hatte aber keine Lust, mit irgendjemandem zu sprechen. Wenn Tatyana ihn sprechen wollte, dann musste sie sich noch fünf Minuten gedulden. So nah lag seine Wohnung beim Plattenladen.
Zum Glück ist Tatyana aus London zurückgekehrt, dachte er, als er auf die Straße hinaustrat.Sonst hätte ich den Laden dicht gemacht, so wie ich in letzter Zeit drauf bin. Er zog die Kapuze tief ins Gesicht und macht einen Schritt in den Regen. Frau Margarita, die eine Reinigung an der Ecke Didotou hatte, stand hinter der Vitrine ihres Geschäfts und sah ihn bewundernd an.
»Netter Junge«, murmelte sie, »auch wenn er allein, missmutig und mürrisch ist – wer weiß, welchen Kummer er hat«, seufzte sie melancholisch und beugte sich wieder über ihre Presse.
Genau acht Minuten später bog Fóntas von der Kaplanon ein und blieb unter der Markise stehen, um den Regen aus seiner Jacke zu schütteln. Bevor er in den Plattenladen ging, machte er Halt bei Manolis Tabakwarenladen. Jeden Montag besorgte Manolis ihm zwei Stangen filterlose Gitanes. Fóntas fand die sonst nirgends mehr und lehnte es ab die Marke zu wechseln.
»Na, da ist ja unser Fóntas«, begrüßte Manolis ihn. »Wünsche eine gute Woche. Ich sehe aber nicht viel gute Laune. Ist irgendwas passiert? Ah … verstehe. Du hast auch schon die Neuigkeiten erfahren. Mir hat es einer aus meinem Dorf gesagt, der als Kellner in einem der Cafés in der Delfonstrasse arbeitet. Mensch, der arme Herr Stamatis. Deswegen sagt man in meinem Dorf: ›Das Leben ist das, was man isst, was man trinkt und …‹«
Plötzlich unterbrach ihn Fóntas: »Schnell, die Zigaretten, Manolis, weil ich meinen Buchhalter erwarte und in Eile bin.«
»Ah, der Dicke ist dein Buchhalter? Hab ich mir doch gedacht«, kommentierte Manolis und gab ihm die beiden Stangen.
Fóntas bezahlte und ging aus dem Tabakwarenladen ohne sich von Manolis zu verabschieden. Er blieb draußen vor dem Plattenladen stehen und blickte