Jede Familie kann Beziehung lernen
Familie liebevoll zu gestalten und ihre Beziehungen gut zu entwickeln ist ein Glück und eine Herausforderung zugleich. Wer Familien mit Zusammenhalt beobachtet, findet Merkmale, die dort gehäuft vorkommen: z. B. das Interesse der Eltern am Kind, gemeinsame Mahlzeiten, Zeit miteinander verbringen oder das Vereinbaren von Regeln. Das sind gewiss wichtige Elemente, doch ihre wesentliche Qualität wird damit nicht bestimmt. Denn solche Faktoren verblassen schnell, wenn sie nicht mit Liebe verknüpft oder aufgeladen sind: Unechtes Interesse am Kind verletzt es; zusammen essen lässt sich auch sprachlos vor dem Fernseher, gemeinsame Zeit kann auch böse streitend verbracht werden; Regeln können ohne Herz verordnet und Rituale eiskalt durchgezogen werden. Ohne Liebe taugt alles wenig für den Familienzusammenhalt, oder anders gesagt: Liebe ist zwar nicht alles. Aber ohne Liebe ist alles in der Familie nicht das, was wünschenswert ist und ersehnt wird.
Kinder kommen unreif auf die Welt. Sie brauchen andere Menschen, Zuwendung, Nähe, Liebe, um sich gut entwickeln und zu sich finden zu können. Auch die beste Versorgung mit Nahrung, Kleidung, Wohnung, mit physischer Wärme, Hygiene, Bewegung und Sonnenstrahlen kann ihr Bedürfnis nach Liebe nicht ausgleichen. Diese Liebe gibt es vor allem in der Familie.
Investition ins Lebensglück
Indem Kinder geliebt werden, erfahren sie etwas Wesentliches: Jemand mag mich sehr, sorgt für mich, kümmert sich um mich. Das macht das Kind glücklich. Aber gilt der Glückseffekt auch umgekehrt? Offenbar nicht unbedingt: Bei Meinungsumfragen sind Eltern im Durchschnitt weniger glücklich als Menschen ohne Kinder. Natürlich erleben sie Glücksmomente – doch der Statistik zufolge wird bei Paaren das Gefühl der Zufriedenheit kleiner, sobald Kinder da sind.
Vor allem Kleinkinder sind es, die Eltern auch unglücklich machen. Wer Kinder hat und liebt, ist schnell damit konfrontiert, dass eigene Bedürfnisse zurückstehen müssen. Zudem sind die Anforderungen ans Elternsein gestiegen, die eigenen wie die von außen. Das mit vielen Ideen und hohen Erwartungen gestartete Projekt Familie kann leicht scheitern. Kinder strengen an. Kinder können Eltern, vor allem alleinerziehende, finanziell überfordern und ruinieren.
Bei alldem leuchtet es ein, dass dauerhaftes Glücksempfinden nicht zu erwarten ist. Das müssen Eltern erst einmal schlucken. Doch wer diese Tatsache akzeptiert, tut sich leichter. Und es hilft, sich klarzumachen: Das Blatt wendet sich, wenn die Kinder größer werden. Spätestens dann können Eltern erkennen, dass sie durch ihre Liebe zum Kind etwas anderes zurückbekommen. Sie erfahren nicht weniger als einen Sinn des Lebens: dass ihr Leben durch die Verantwortung für das Kind bereichert wird.
So lässt die Familie Menschlichkeit intensiver werden. Statt zu fragen: »Was bringtmir das?«, verlagern sich die Schlüsselfragen hin zu einem: »Was bekommt das Kind von mir?«, oder: »Was kann ich geben?« Der Sinn der Familienliebe liegt dabei quer zur nutzenorientierten