: Robert Musil
: Gesammelte Werke Romane + Literaturkritiken + Essays + Autobiographische Schriften: Der Mann ohne Eigenschaften + Die Verwirrungen des Zöglings Törleß + Vereinigungen + Das verzauberte Haus...
: e-artnow
: 9788026840718
: 2
: CHF 0.90
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: Anthologien
: German
: 8405
: Wasserzeichen
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: ePUB
Dieses eBook: 'Gesammelte Werke' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Robert Musil (1880-1942) war ein österreichischer Schriftsteller und Theaterkritiker. Musils Werk umfasst mehrere Novellen und zwei Romane, den Bildungsroman Die Verwirrungen des Zöglings Törleß und sein unvollendetes Hauptwerk, das Magnum Opus Der Mann ohne Eigenschaften. Dieser Band versammelt sämtliche Werke von Robert Musil: PROSA UND STÜCKE FRÜHE PROSA - Die Verwirrungen des Zöglings Törleß - Vereinigungen (Die Vollendung der Liebe, Die Versuchung der stillen Veronika) - Das verzauberte Haus [Ältere Fassung zur 'Versuchung der stillen Veronika', 1908] - Die Versuchung der stillen Veronika [Fragment - vor 1908] - Drei Frauen (Grigia, Die Portugiesin, Tonka) STÜCKE - Die Schwärmer - Vinzenz und die Freundin bedeutender Männer - Vorspiel zu dem Melodrama 'Der Tierkreis' LYRISCHES, WIDMUNGEN KLEINE PROSA, APHORISMEN, AUTOBIOGRAPHISCHES - Nachlaß zu Lebzeiten - Vorstufen zum Nachlaß zu Lebzeiten - Erzählungen [1923-1932] - Glossen [1921-1932] - Prosa-Fragmente aus dem Nachlass - Aphorismen - Motive - Überlegungen - [Stichworte zu den 'Aufzeichnungen eines Schriftstellers'] - Zur Person - Zum Werk ESSAYS UND REDEN - Essays - Reden - Essayistische Fragmente KRITIK - Kritik. Literatur - Theater - Kunst [1912-1930] - Referate und Hinweise [April - Juli 1923] - Antworten zu Umfragen [1914-1933] - Nachträge - Kritik-Entwürfe DER MANN OHNE EIGENSCHAFTEN - Erstes Buch - Zweites Buch - Schluss des Dritten Teils und Vierter Teil (Aus dem Nachlass) - Anhang - Nachgelassene Fragmente

«Dort setze dich nieder!» Reiting wies auf den mächtigen Balken. Basini gehorchte. Reiting hub zu sprechen an: «Du hast wahrscheinlich schon geglaubt, daß du fein heraus bist; was? Du hast wohl geglaubt, ich werde dir helfen? Nun, da hast du dich getäuscht. Was ich mit dir tat, war nur, um zu sehen, wie weit deine Niedrigkeit geht.»

Basini machte eine abwehrende Bewegung. Reiting drohte wieder, auf ihn zu springen. Da sagte Basini: «Aber ich bitte euch um Gottes willen, ich konnte nicht anders.»

«Schweig!» schrie Reiting, «deine Ausreden haben wir satt! Wir wissen nun ein für allemal, wie wir mit dir daran sind, und werden uns danach richten …»

Es trat ein kurzes Schweigen ein. Da sagte plötzlich Törleß leise, fast freundlich: «Sag doch, ich bin ein Dieb.»

Basini machte große, fast erschrockene Augen; Beineberg lachte beifällig.

Aber Basini schwieg. Da gab ihm Beineberg einen Stoß in die Rippen und schrie ihn an:

«Hörst du nicht, du sollst sagen, daß du ein Dieb bist! Sofort wirst du es sagen!»

Abermals trat eine kurze, kaum wägbare Stille ein; dann sagte Basini leise, in einem Atem und mit möglichst harmloser Betonung: «Ich bin ein Dieb.»

Beineberg und Reiting lachten vergnügt zu Törleß hinüber: «Das war ein guter Einfall von dir, Kleiner», und zu Basini: «Und jetzt wirst du sofort noch sagen: Ich bin ein Tier, ein diebisches Tier,euer diebisches, schweinisches Tier!»

Und Basini sagte es, ohne auszusetzen und mit geschlossenen Augen.

Aber Törleß hatte sich schon wieder ins Dunkel zurückgelehnt. Ihm ekelte vor der Szene, und er schämte sich, daß er seinen Einfall den anderen preisgegeben hatte.

Während des Mathematikunterrichtes war Törleß plötzlich ein Einfall gekommen.

Er hatte schon während der letzten Tage den Unterricht in der Schule mit besonderem Interesse verfolgt gehabt, denn er dachte sich: «Wenn dies wirklich die Vorbereitung für das Leben sein soll, wie sie sagen, so muß sich doch auch etwas von dem angedeutet finden, was ich suche.»

Gerade an die Mathematik hatte er dabei gedacht; noch von jenen Gedanken an das Unendliche her.

Und richtig war es ihm mitten im Unterrichte heiß in den Kopf geschossen. Gleich nach Beendigung der Stunde setzte er sich zu Beineberg als dem einzigen, mit dem er über etwas Derartiges sprechen konnte.

«Du, hast du das vorhin ganz verstanden?»

«Was?»

«Die Geschichte mit den imaginären Zahlen?»

«Ja. Das ist doch gar nicht so schwer. Man muß nur festhalten, daß die Quadratwurzel aus negativ Eins die Rechnungseinheit ist.»

«Das ist es aber gerade. Die gibt es doch gar nicht. Jede Zahl, ob sie nun positiv ist oder negativ, gibt zum Quadrat erhoben etwas Positives. Es kann daher gar keine wirkliche Zahl geben, welche die Quadratwurzel von etwas Negativem wäre.»

«Ganz recht; aber warum sollte man nicht trotzdem versuchen, auch bei einer negativen Zahl die Operation des Quadratwurzelziehens anzuwenden? Natürlich kann dies dann keinen wirklichen Wert ergeben, und man nennt doch auch deswegen das Resultat nur ein imaginäres. Es ist so, wie wenn man sagen würde: hier saß sonst immer jemand, stellen wir ihm also auch heute einen Stuhl hin; und selbst, wenn er inzwischen gestorben wäre, so tun wir doch, als ob er käme.»

«Wie kann man aber, wenn man bestimmt, ganz mathematisch bestimmt weiß, daß es unmöglich ist?»

«So tut man eben trotzdem, als ob dem nicht so wäre. Es wird wohl irgendeinen Erfolg haben. Was ist es denn schließlich anderes mit den irrationalen Zahlen? Eine Division, die nie zu Ende kommt, ein Bruch, dessen Wert nie und nie und nie herauskommt, wenn du auch noch so lange rechnest? Und was kannst du dir darunter denken, daß sich parallele Linien im Unendlichen schneiden sollen? Ich glaube, wenn man allzu gewissenhaft wäre, so gäbe es keine Mathematik.»

«Darin hast du recht. Wenn man es sich so vorstellt, ist es eigenartig genug. Aber das Merkwürdige ist ja gerade, daß man trotzdem mit solchen imaginären oder sonstwie unmöglichen Werten ganz wirklich rechnen kann und zum Schlusse ein greifbares Resultat vorhand