FOLGE 2
VÄTER
Julius warf Sonja mit Wucht zu Boden, setzte sich auf sie, drückte sie an den Schultern ins Gras. Sie schrie, versuchte, ihn in den Arm zu beißen. Toni kniete sich hin und legte den Goldfisch auf eine der Steinplatten am Rand des Teichs. Wäre Sonja ihnen mit ihrem Tierschutzgerede nicht so auf die Nerven gegangen, hätten sie dem Fisch auch nichts getan. Nun krümmte er sich und zuckte. Toni ließ die Lupe über ihn gleiten, bis er mit dem leuchtenden Punkt das Auge erreicht hatte. Eine schwarze Flüssigkeit trat aus, rann über die roten und weißen Schuppen. Er warf den Fisch zurück in den Teich, wischte sich die Hand im Gras ab und sagte: „Du kannst sie loslassen.“ Julius stieg von ihr runter und sie stürzte sich schreiend auf Toni. Dann die scharfe Stimme seiner Mutter. Sie stand mit strengem Blick am Fenster, befahl Julius, sofort zu ihr kommen.
Als er das Haus betrat, schaute sie noch immer hinaus in den Garten. Leise sagte er: „Es war Tonis Idee.“
„Ich habe einen Anruf aus Portugal bekommen“, sagte sie. Sie schloss das Fenster, setzte sich hin und teilte ihm mit, was mit seinem Vater geschehen war. Und mit Sonjas.
„In den nächsten Stunden will ich nicht gestört werden. Von keinem von euch. Du gehst jetzt wieder raus und informierst die anderen. Nein, warte. Besser, du schickst Sonja nach Hause. Und dann erzählst du es Toni, aber vorsichtig. Du bist vierzehn. Alt genug, um etwas Verantwortung zu übernehmen.“
An diesem Abend begann Julius, eine Zeittafel zu schreiben. Am Computer erstellte er eine Tabelle, die mit dem Urknall begann und bis in die Gegenwart führte. Er trug alles ein, was ihm wichtig schien: die Entstehung der Erde, die Dinosaurier, den Untergang Roms, die Entdeckung Amerikas, Hitler, Elvis, seine eigene Geburt und schließlich die beiden Todesfälle, gefolgt von vielen leeren Zeilen für die Zukunft.
Während er daran arbeitete, sprang seine Mutter aus dem Fenster. Toni hatte es mit angesehen. Sie wurde von der Thuja und vom Kirschlorbeer abgefedert, zog sich nur ein paar Schürfungen zu; und ein blaues Auge, weil sie am Ende noch mit dem Kopf gegen einen Gartenzwerg geknallt war.
Wenn Julius heute an diesen Tag zurückdachte, dann erinnerte er sich an die neonfarbenen Armreife, die Sonja getragen hatte, und an ihr T-Shirt mit einem Bild von New Kids on the Block. Versuchte er aber, sich ihr damaliges Gesicht vorzustellen, dann sah er nur die Sonja der Gegenwart vor sich. Als hätte es das junge Mädchen nie gegeben.
Eine schmale Landstraße führte durch den Wald. Kieselsteine, Fahrspuren, Pfützen, die Rinden der Baumstämme; im Lichtkegel der Scheinwerfer erschien alles in fremdartigen Konturen, bevor es wieder in der Dunkelheit verschwand. Aus dem Autoradio eine leise Frauenstimme, von einem Rauschen durchsetzt. Julius kannte die Strecke.
Sonja hatte lange schweigend