: Wolfgang Bergmann
: Die letzten Päpste Ein theologischer Neustart für die Kirche
: Czernin Verlag
: 9783707605501
: 1
: CHF 13.50
:
: Christentum
: German
: 136
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Was hat Glaube mit Kirche zu tun? Kann ein modern denkender Mensch der katholischen Kirche mit ihren jahrtausendealten Traditionen überhaupt Vertrauen entgegenbringen? Wie lange wird es Päpste noch geben? Wolfgang Bergmann ist Katholik und 'Insider' mit einem Blick auf die großen Zusammenhänge. Er verortet die Kirche in einer 'Midlife-Crisis' und zeigt Chancen für deren Zukunft auf. In der katholischen Kirche hat sich in den letzten Jahren viel getan. Eine Revolution von außen wie von innen ist nicht mehr wegzudiskutieren. Das geistliche Oberhaupt steht im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit: Was der jetzige Papst bewusst oder unbewusst in Bewegung setzt, ist durchaus mit jener Perestroika vergleichbar, die einst Michail Gorbatschow eingeleitet hat. Beide sind sich in der Diagnose einig, dass ihre Institutionen im Innersten morsch geworden sind. Doch auch der Druck von außen, von vielen gläubigen Christen mit modernen Wertevorstellungen, wird größer. Zölibat, Wiederverheiratung Geschiedener, Frauenpriestertum und gänzlich neue Formen der Theologie: 'Die letzten Päpste' bietet einen Überblick über den Stand der Diskussion und regt mit überraschenden neuen Thesen zum Nachdenken an.

Wolfgang Bergmann, geboren 1963 in St.Pölten/NÖ, derzeit Geschäftsführer der Tageszeitung Der Standard. Bergmann studierte Theologie in Wien, war Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit der Caritas, Kommunikationsdirektor der Erzdiözese Wien und Gründungsgeschäftsführer von Radio Stephansdom.

2. Benedikt – der letzte Monarch


Am 10. Februar 2013 trat das Konsistorium, der Kreis der Kardinäle, routinemäßig zusammen. Auf der Tagesordnung standen Heiligsprechungen. Es war nur ein »kleines Konsistorium«, das heißt, es wurden nur die in Rom ansässigen Kardinäle versammelt. Beim »großen« reisen sie aus aller Welt an. Dann werden häufig neue Kardinäle kreiert, wie die Ernennung durch den Papst heißt. Am Ende jener Zusammenkunft, quasi unter dem Tagesordnungspunkt Allfälliges, erklärte Papst Benedikt XVI. unangekündigt seinen Rücktritt mit Wirkung 28. Februar.

Noch deutlicher kann man nicht ausdrücken, dass das Konsistorium mit Beratung oder gar offener Diskussion schon lange nichts mehr zu tun hatte. Benedikt setzte damit einen letzten diskussionslosen, absolutistischen Akt – kennzeichnend für den Stil der Päpste seit Jahrhunderten. Er markiert damit möglicherweise das Ende eines Herrschermodells. Franziskus hat rasch nach seiner Ernennung einen permanenten Beraterkreis ernannt.

Ein Pontifikat voll Pannen fand damit einen überraschenden Abschluss, der sicher in die Geschichtsbücher eingehen wird. Kein anderer Papst der Neuzeit hat diesen Schritt gesetzt. Coelestin V. war der Einzige, der freiwillig zurückgetreten war, das war anno 1294. Jahrhunderte davor leisteten zwei Päpste Amtsverzicht, die jedoch ihr Amt bereits nicht mehr ausüben konnten. Das Konzil von Konstanz (1414–18) drängte drei Päpste zum Rücktritt, die gleichzeitig das Papstamt für sich beanspruchten. Dies ist übrigens ein Beispiel dafür, dass das Konzil über dem Papst steht, auch wenn dies in der Folge wieder päpstlich bestritten wurde und sich das I. Vatikanische Konzil dagegengestellt hat.

Kirchenrechtlich war die Möglichkeit längst vorgesehen. Auch ließ Benedikt schon davor in einem Interview wissen, es könne die Situation eintreten, in der es die Pflicht eines Papstes sei, abzudanken.29 Dass er diesen Schritt setzte, ohne, wie sein Vorgänger, in eine Phase des Siechtums geraten zu sein, war allerdings unerwartet. Dass Päpste bislang diesen Schritt scheuten, hängt mit der »sakralen Überhöhung«30 zusammen, die man dem Amt des »Stellvertreters Christi« angedeihen ließ. Johannes Paul II. wird die Aussage zugeschrieben, wonach ein Rücktritt nicht in Frage käme, weil auch Jesus nicht vom Kreuz heruntergestiegen sei.

Unmittelbar nach seiner Wahl hatte Benedikt noch formuliert: »Als er mich zum Bischof von Rom erwählt hat, wollte der Herr mich zu seinem Stellvertreter, er wollte mich zum ›Felsen‹ machen, auf den sich alle sicher stützen können.«31

In der Rücktrittserklärung nennt er in Respekt verdienender Offenheit nicht nur körperliche, sondern auch geistige Schwächen und bezeichnet seinen Job als »das Amt des Bischofs von Rom, des Nachfolgers Petri, das mir durch die Hand der Kardinäle am 19. April 2005 anvertraut wurde«. Die neue Formel »durch die Hand der Kardinäle anvertraut« nimmt vom Bild der quasi göttlichen Amtseinsetzung, das er zum Amtsantritt gezeichnet hatte, wieder Abschied. Ob gewollt oder ungewollt, das Amt wird dadurch wieder »vermenschlicht« und verliert ein wenig an Nimbus.

Benedikt begann sein Pontifikat leise, schraubte die Zahl der Auslandsreisen zurück und widmete seine erste Enzyklika dem Thema, dass Gott die Liebe ist.32 Dies nährte zunächst die Hoffnung, aus dem »Panzerkardinal«, so sein Spitzname als Chef der Glaubenskongregation, würde ein milder Papst werden. Vielleicht sogar einer, der gerade deshalb Reformen in Rom setzen kann, weil er dort als einer der ihren gilt, als einer, dessen »Rechtgläubigkeit« nach römischem Verständnis außer Zweifel steht.

Tatsächlich kam diese Enzyklika auch ohne erhobenen Zeige­finge