: Ulrike Schmitzer
: Die Flut Textlicht Band 1
: Edition Atelier
: 9783903005730
: 1
: CHF 2.70
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 96
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eine seltsame rote Schlammflut hat das Land überschwemmt. Woher sie kommt: Niemand weiß es, aber wer mit ihr in Kontakt kommt, dessen Haut verfärbt sich schwarz. Schnell werden die Schwarzhäutigen wegen vermeintlicher Ansteckungsgefahr ausgestoßen. Ein Bauer macht sich auf die Suche nach seinem Enkel, der von Soldaten fortgebracht worden ist. Viel Zeit ihn zu finden hat er nicht, denn auch auf seinem Körper breitet sich immer schneller das schwarze Stigma aus ...

Ulrike Schmitzer, 1967 in Salzburg geboren; Studium der Publizistik und Kunstgeschichte; Redakteurin bei Ö1, freie Filmemacherin und Autorin in Wien; zahlreiche Radiopreise, unter anderem den Radiopreis für Erwachsenenbildung/Eduard-Plo er-Preis 2005 u. 2006; Absolventin der Leondinger Akademie für Literatur 2008; zuletzt von ihr erschienen: Bourdieus Erben (2006, Hg. m. Elisabeth Nöstlinger) und Susan Sontag. Intellektuelle aus Leidenschaft (2007, Hg. m. Elisabeth Nöstlinger), beide im Mandelbaum Verlag, Wien; Veröffentlichungen in diversen Literaturzeitschriften, u.?a. kolik, Literatur& Kritik, SALZ.

Der rote Lack glänzte in der Sonne. Die Blechkiste, in der er die Briefe verstaut hatte, wurde schon heiß. Der Motor lief ruhig und gleichmäßig. Er hatte das alte Motorrad in seine Einzelteile zerlegt, gereinigt und poliert. Die alten Traktorräder montiert, den Traktorsitz, eine lange Lenkstange, ein neues Abgasrohr steil in den Himmel gerichtet, die Kühlung poliert. Die Ladefläche direkt an das Gefährt geschweißt.

Er genoss es, wie sich die Leute im Dorf nach seiner Maschine umdrehten. Die Kinder liefen neben ihm her. Bei der Post stieg er langsam ab.

Ist das ein Motorrad, fragte ein Kind.

Oder ein Traktor, fragte ein anderes.

Eine Wundermaschine, sagte ein drittes.

Genau, sagte der Bauer und lächelte. Als er aus der Post kam, nahm er die Kurbel vom Haken, schwang sie durch die Luft und drehte den Dieselmotor an.

Die Kinder lachten. Der Motor schnurrte.

Er sah aus dem Fenster. Es war still. Kein Auto, das in der Kurve bremste. Kein aufheulendes Motorrad. Nicht einmal das Geklimpere der buddhistischen Glocke vom Nachbarn, die beim leisesten Windstoß anklang. Der Himmel war eigenartig rot. In einigen Kilometern Entfernung blitzte es.

Die Vögel fielen einer nach dem anderen still von den Bäumen. Ihr buntes Federkleid war verschwunden. Auf dem Boden bildete sich aus ihren Körpern ein Teppich, der immer schwärzer wurde.

Er ging durch die Tür hinaus auf sein Feld. Der kleine Bach begann das Feld zu fluten. Er breitete sich aus, über sein Reich, das er vor Jahrzehnten dem Wald abgerungen hatte.

Er stapfte durch die Flut, bis er spürte, dass sich seine Plastikstiefel verformten. Sie begannen sich aufzulösen. Noch bevor er die rote Masse auf seiner Haut spüren konnte, kletterte er auf einen Baum und warf die Stiefel von sich. Da saß er nun. Barfuß. Und kein Mensch in Sichtweite. Die Flut trie