Claudia Markward schob die Gardine des Küchenfensters beiseite und blickte auf die ruhige Nebenstraße hinaus, die von hübschen Reihenhäusern flankiert wurde. Wo Peter nur so lange blieb? Sie waren bei Freunden zur Feier von deren zehntem Hochzeitstag eingeladen, und sie wollte pünktlich sein.
Draußen war es längst dunkel. Nasser Schnee fiel und verwandelte die Straßen in Rutschbahnen. Claudia sorgte sich um ihren Mann. Immerhin musste er bei diesem Wetter von seiner Arbeitsstelle in einer rheinischen Großstadt fünfundzwanzig Kilometer hierher fahren.
Claudia hatte es da besser. Ihr Arbeitsplatz in der Praxis eines Arztes lag hier am Ort, einem ruhigen Kleinstädtchen. Sie konnte ihn zu Fuß erreichen.
Sie lief über die schmale Wendeltreppe nach oben ins Schlafzimmer und legte alles für Peter bereit: den festlichen Anzug, das Hemd, die passende Krawatte und die Socken. Er würde noch duschen wollen, und dann war es allerhöchste Zeit. Marina hatte sicher ein ausgesuchtes Essen zubereitet, das kalt wurde, wenn die Gäste zu spät eintrafen.
Claudia hatte sich bereits umgezogen. Das schicke, eng geschnittene, feuerrote Kleid stand ihr gut, gerade auch wegen ihrer zierlichen Figur und den halblangen schwarzen Haaren. Ihre Beine kamen in schwarzen Spitzenstrümpfen und hochhackigen Pumps gut zur Geltung.
Nervös lief sie wieder die Treppe hinab. Ob sie in Peters Betrieb anrufen sollte? Vielleicht hatte man ihm ausgerechnet heute Überstunden aufgebrummt. Während sie noch überlegte, hörte sie draußen den Wagen.
Endlich! Sie rannte zur Haustür und riss sie auf, ehe ihr Mann aufsperren konnte.
„Peter! Wo bleibst du denn so lange? Ich hatte schon Angst … aber wie siehst du denn aus?“
Peter Markward fuhr sich durch das zerzauste blonde Haar.
„Ich? Wieso? Ach, ich bin bloß ein bisschen abgespannt. Es war ein schrecklicher Tag heute.“ Er hängte seinen Mantel an den Garderobenhaken und rieb sich die schmerzenden Augen. „Der Kopf tut mir so weh! Am besten lege ich mich gleich hin.“
Mit müden Schritten ging er nach oben.
„Aber Peter, wir sind doch bei den Tamms eingeladen!“, rief Claudia ihm nach. „Hast du das etwa vergessen?“
Peter blickte sie aus dunkel umränderten Augen an.
„Mein Gott, Claudia, auch das noch!“, murmelte er und stöhnte auf. „Liebes, ich kann heute einfach nicht! Ich bin völlig fertig! Vielleicht kriege ich eine Grippe. Sei doch so lieb und geh einfach allein! Markus und Marina werden es schon verstehen.“
Er ließ sich aufs Bett fallen und bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Sein Körper zitterte wie im Schüttelfrost.
Claudia ließ sich am Bettrand nieder und schob seine Hände auseinander. Ja, er sah unendlich mitgenommen aus. Seine Augen schienen tiefer in den Höhlen zu liegen. Die feinen Fältchen in den Augenwinkeln traten schärfer hervor. Das gesunde Braun seiner Haut hatte einen graugelben Ton angenommen. Auf seiner Stirn stand Schweiß wie ein feiner, glänzender Film.
„Du bist krank, Liebling“, stellte Claudia entsetzt fest. „Ich rufe sofort Dr. Iller an!“
Peter hielt ihre Hände fest.
„Bitte nicht, Liebes! Mach keinen Wirbel wegen des kleinen Unwohlseins! Entschuldige mich bei den Tamms und lass mich ausschlafen. Dann ist morgen wieder alles in Ordnung.“
„Nein. Unter diesen Umständen bleibe ich natürlich zu Hause“, entgegnete Claudia fest. „Du bist doch schon seit Tagen nicht so richtig fit. Und ich bestehe darauf, dass du wenigstens morgen Dr. Iller aufsuchst! Versprich es mir!“
„Ich verspreche dir alles, was du willst“, erwiderte Peter matt. „Nur tu mir bitte den Gefallen und geh zu der Party! Wir wollen doch unsere besten