: Jeffery Deaver
: Der Giftzeichner Ein Lincoln-Rhyme-Thriller
: Blanvalet
: 9783641159016
: Die Lincoln-Rhyme-Reihe
: 1
: CHF 7.80
:
: Spannung
: German
: 576
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der 11. Fall für Lincoln Rhyme und Amelia Sachs.
In einem düsteren Versorgungstunnel wird die Leiche einer jungen Frau gefunden, angestrahlt vom Schein einer Taschenlampe. Auf ihrer Haut eine Botschaft, eintätowiert mit Gift anstatt mit Tinte. Vom Mörder keine Spur. Nur einen einzigen Hinweis entdeckt Amelia Sachs, als sie den unheimlichen Tunnel absucht: ein zusammengeknülltes Stück Papier, das diesen Mord mit einem lange zurückliegenden Fall verbindet, den Amelia und Lincoln Rhyme nie vergessen haben. Ein eiskalter, akribisch vorgehender Serienkiller versetzt New York schon bald in Angst und Schrecken - ein Killer, der dem legendären Knochenjäger in seiner skrupellosen Grausamkeit eindeutig das Wasser reichen kann.

Jeffery Deaver gilt als einer der weltweit besten Autoren intelligenter psychologischer Thriller. Seit seinem ersten großen Erfolg als Schriftsteller hat Jeffery Deaver sich aus seinem Beruf als Rechtsanwalt zurückgezogen und lebt nun abwechselnd in Virginia und Kalifornien. Seine Bücher, die in 25 Sprachen übersetzt werden und in 150 Ländern erscheinen, haben ihm zahlreiche renommierte Auszeichnungen eingebracht. Nach der weltweit erfolgreichen Kinoverfilmung begeisterte auch die TV-Serie um das faszinierende Ermittler- und Liebespaar Lincoln Rhyme und Amelia Sachs die Zuschauer. Neben Lincoln Rhyme hat Deaver mit Colter Shaw einen weiteren außergewöhnlichen Serienhelden geschaffen.

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Man kann den Tod auf zweierlei Weise betrachten.

In der Disziplin der forensischen Wissenschaft ist der Tod für den Ermittler eine abstrakte Tatsache, schlicht ein Ereignis, das eine Reihe von Aufgaben nach sich zieht. Gute forensische Cops nehmen dieses Ereignis wie eine historische Begebenheit in Augenschein; für die besten unter ihnen aber ist der Tod reine Fiktion, und das Opfer hat niemals als reale Person existiert.

Bei der Tatortarbeit ist dieser innere Abstand eine notwendige Voraussetzung, so wie die Latexhandschuhe und die alternativen Lichtquellen.

Lincoln Rhyme saß in seinem grau-roten Merits-Rollstuhl an einem Fenster seines Stadthauses am Central Park West und dachte auf genau diese Weise über einen Todesfall aus jüngster Vergangenheit nach. Letzte Woche war in Downtown ein Mann ermordet worden; offenbar war ein Raubüberfall eskaliert. Das Opfer hatte am frühen Abend sein Büro bei der städtischen Umweltschutzbehörde verlassen und war auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf das Gelände einer zu diesem Zeitpunkt menschenleeren Baustelle gezerrt worden. Anstatt seine Brieftasche herzugeben, hatte der Mann sich zur Wehr gesetzt und war vom eindeutig überlegenen Täter erstochen worden.

Der Fall, dessen Akte Rhyme nun vor Augen hatte, sah nach reiner Routine aus, und auch die kargen Beweise waren typisch für solch einen Mord: die billige Waffe, ein Küchenmesser mit Sägeschliff – zwar voller Fingerabdrücke, doch waren die weder beiIAFIS noch sonst wo registriert –, die undeutlichen Schuhabdrücke im Schlamm, der an jenem Abend den Boden bedeckt hatte, sowie Partikel, Abfälle und Zigarettenstummel, bei denen es sich allesamt um tage- oder wochenalte und somit nutzlose Partikel, Abfälle und Zigarettenstummel gehandelt hatte. Allem Anschein nach war es ein Zufallsverbrechen; es gab keinen Ausgangspunkt für die Suche nach dem Täter. Die Polizei hatte die Kollegen des Opfers im Amt für öffentliche Arbeiten befragt und mit den Freunden und Angehörigen gesprochen. Es gab keine Drogenvorgeschichte, keine prekären Geschäfte, keine eifersüchtigen Geliebten und auch keine eifersüchtigen Ehepartner von Geliebten.

Angesichts der dürftigen Spurenlage würde dieser Fall sich nur auf eine Weise lösen lassen, wusste Rhyme: Jemand würde leichtfertig damit prahlen, in der Nähe des Rathauses eine Brieftasche erbeutet zu haben. Und wenn sein Gegenüber dann das nächste Mal wegen Drogenbesitzes, häuslicher Gewalt oder Diebstahls verhaftet wurde, würde er oder sie eine Abmachung mit der Staatsanwaltschaft treffen und den Prahler verraten.

Für Lincoln Rhyme war die Tat, dieser fehlgeschlagene Raubüberfall, ein distanziert wahrgenommener Tod. Historisch. Fiktional.

So viel zur Betrachtungsweise Nummer eins.

Bei der zweiten Möglichkeit kommt das Herz ins Spiel: wenn ein Mensch, zu dem eine echte Beziehung besteht, nicht länger auf dieser Erde weilt. Und der andere Todesfall, der Rhyme an diesem stürmischen grauen Tag beschäftigte, setzte ihm so sehr zu, wie der des Überfallopfers ihn kaltließ.

Rhyme standen nicht viele Leute nahe. Das lag nicht an seiner körperlichen Verfassung – er war vom Hals abwärts weitgehend gelähmt. Nein, er war nie besonders gesellig gewesen. Er war Wissenschaftler. Ein Verstandesmensch.

Oh, es hatte durchaus ein paar enge Freunde gegeben, einige Verwandte, Geliebte. Seine Frau, inzwischen seine Ex.

Thom, seinen Betreuer.

Amelia Sachs natürlich.

Doch der zweite Mann, der vor einigen Tagen gestorben war, war ihm in einem Punkt nähergekommen als alle anderen: Er hatte für Rhyme eine bislang unerreichte