: Neal Stephenson
: Amalthea Roman
: Manhattan
: 9783641168759
: 1
: CHF 10.80
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 1056
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der Mond explodierte ohne Vorwarnung und ohne erkennbaren Grund. Die Uhrzeit würde man später als A+0.0.0 oder schlicht Null bezeichnen …

05:03:12 Weltzeit. Die Stunde Null. Nach der Explosion des Mondes wütet über Jahrtausende ein Meteoritensturm, der die Erdoberfläche in eine unbewohnbare Wüstenei verwandelt. Um die Menschheit vor der Auslöschung zu bewahren, schicken die Nationen der Erde eine Flotte von Archen ins All. Der Asteroid Amalthea – ursprünglich zu Forschungszwecken an eine internationale Raumstation angedockt –, soll der Kolonie als Schutzschild dienen. Doch das Leben im Weltraum fordert einen hohen Tribut, und der Fortbestand der menschlichen Zivilisation steht auf Messers Schneide …

Neal Stephenson gilt als eines der größten Genies der amerikanischen Gegenwartsliteratur. »Cryptonomicon«, seine Barock-Trilogie sowie »Anathem«, »Error«, »Amalthea« und das mit Nicole Galland verfasste Werk »Der Aufstieg und Fall des D.O.D.O.« sind ebenso wie sein letzter Roman »Corvus« internationale Bestseller. Er lebt in Seattle, Washington.

Die sieben Schwestern

Rufus MacQuarie sah das Ganze über der schwarzen Kammlinie der Brooks Range in Nordalaska passieren. Er betrieb dort eine Mine. In klaren Nächten pflegte er mit seinem Pickup auf einen Berg zu fahren, mit dessen Aushöhlung er und seine Männer den Tag verbracht hatten. Dann nahm er sein Fernrohr, ein 30-cm-Cassegrain-Teleskop, hinten aus dem Wagen, baute es auf dem Gipfel auf und betrachtete die Sterne. Wenn ihm so richtig kalt wurde, zog er sich in die Fahrerkabine seines Wagens zurück (er ließ den Motor laufen) und hielt die Hände vor die Luftdüsen, bis er wieder Gefühl in den Fingern hatte. Dann, während auch der Rest warm wurde, setzte er seine Finger dafür ein, mit Freunden, Familienmitgliedern und Fremden überall auf der Welt zu kommunizieren.

Und außerhalb davon.

Nachdem der Mond explodiert war und Rufus sich überzeugt hatte, dass das, was er sah, echt war, öffnete er eine App, die die Position diverser natürlicher und künstlicher Himmelskörper anzeigte. Er sah die Position der Internationalen RaumstationISS nach. Zufällig zog sie gerade vierhundert Kilometer über und dreitausendzweihundert Kilometer südlich von ihm vorbei.

Er zog eine Vorrichtung auf sein Knie. Er hatte sie in seiner kleinen Werkstatt hergestellt. Sie bestand aus einer Morsetaste, die aussah, als wäre sie ungefähr hundertfünfzig Jahre alt, und die auf einem passgenauen Plastikblock befestigt war, der sich mit Klettverschlüssen auf seinem Oberschenkel fixieren ließ. Er begann, Punkte und Striche herunterzuklopfen. An der Stoßstange seines Pickups war eine nach den Sternen greifende Peitschenantenne befestigt.

Vierhundert Kilometer über und dreitausendzweihundert Kilometer südlich von ihm kamen die Punkte und Striche aus zwei billigen Lautsprechern, die mit Kabelbindern an einer Leitung in einem vollgestopften, dosenförmigen Modul befestigt waren, das einen Teil der Internationalen Raumstation bildete.

Am einen Ende derISS war der yamswurzelförmige Asteroid namens Amalthea festgeschraubt. Falls man ihn, was unwahrscheinlich war, sanft zur Erde befördern und auf einem Fußballfeld ablegen könnte, würde er vom einen bis zum anderen Strafraum reichen und den Mittelkreis komplett abdecken. Er war viereinhalb Milliarden Jahre lang um die Sonne geschwebt, für das bloße Auge und die Teleskope der Astronomen unsichtbar, obwohl er sich auf einem erdähnlichen Orbit bewegt hatte. Nach dem von Astronomen verwendeten Klassifizierungssystem hieß das, dass es sich um einen sogenannten Arjuna-Asteroiden handelte. Wegen ihrer erdnahen Umlaufbahn bestand bei Arjunas eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie in die Erdatmosphäre eintraten und auf bewohnte Orte knallten. Doch ebendeshalb konnte man sie auch leicht erreichen und an ihnen festmachen. Aus beiden Gründen, dem schlechten wie dem guten, zogen sie die Aufmerksamkeit von Astronomen auf sich.

Amalthea war fünf Jahre zuvor von einem Schwarm teleskopbewehrter Satelliten entdeckt worden, die von Arjuna Expeditions losgeschickt worden waren, einer Firma mit Sitz in Seattle, die von Milliardären aus der Technologiebranche zu dem ausdrücklichen Zweck des Asteroidenbergbaus finanziert worden war. Amalthea war als gefährlich eingestuft worden, mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,01 %, innerhalb