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Die Knöchel der Frau wölbten sich bleich unter rissiger, spröder Haut. Mit knotigem Finger drückte sie einen Knopf auf dem Gerät in dem Ziploc-Beutel.
Es wurde still im Zimmer.
Ich saß reglos da, die Nackenhaare aufgestellt.
Die Augen der Frau starrten in meine. Sie waren grün mit gelben Einsprengseln, was mich an eine Katze denken ließ. Eine Katze, die den richtigen Augenblick abwarten und dann mit tödlicher Genauigkeit zuschlagen konnte.
Ich ließ das Schweigen gewähren. Nicht zuletzt, um meine Nerven zu beruhigen. Vor allem aber, um die Frau zu ermutigen, den Grund ihres Besuchs zu erläutern. In ein paar Stunden musste ich in einem Flugzeug sitzen. Und ich hatte noch so viel zu tun, bevor ich mich zum Flughafen aufmachte. Nach Montreal und zu Ryan. Ich brauchte das hier nicht. Aber ich wollte unbedingt wissen, was die entsetzlichen Geräusche bedeuteten, die ich eben gehört hatte.
Die Frau saß vornübergebeugt auf ihrem Stuhl. Angespannt. Voller Erwartung. Sie war groß, mindestens einsachtzig, und trug Stiefel, Jeans und ein Jeanshemd, das bis zu den Ellbogen aufgekrempelt war. Ihre Haare waren gefärbt und so rot wie der Aschebelag in Roland Garros. Sie hatte sie zu einem Dutt oben auf dem Kopf zusammengefasst.
Mein Blick löste sich von den Katzenaugen und wanderte zu der Wand hinter der Frau. Zu einer gerahmten Urkunde, die Temperance Brennan vom American Board of Forensic Anthropology auszeichnete. Die Prüfung war eine harte Nuss gewesen.
Ich war mit meiner Besucherin allein in den knapp elf Quadratmetern, die man der beratenden forensischen Anthropologin des Mecklenburg County Medical Examiner zugestand. Ich hatte die Tür offen gelassen. Wusste nicht so recht, warum. Normalerweise mache ich sie zu. Irgendetwas an der Frau bereitete mir Unbehagen.
Vertraute Arbeitsgeräusche drangen vom Gang herein. Das Klingeln eines Telefons. Die Kühlraumtür, die zischend auf- und mit einem Klicken wieder zuging. Eine Rolltrage mit Gummirädern, die zu einem Autopsiesaal geschoben wurde.
»Es tut mir leid.« Ich war erleichtert, dass meine Stimme so ruhig klang. »Die Empfangsdame hat mir Ihren Namen genannt, aber ich habe meine Notiz verlegt.«
»Strike. Hazel Strike.«
Das ließ in meinem Hirn ein Glöckchen klingen. Was?
»Man nennt mich auch Lucky.«
Ich sagte nichts.
»Aber ich verlasse mich nicht auf mein Glück. Ich arbeite hart.« Obwohl ich Strike auf Anfang bis Mitte sechzig schätzte, war ihre Stimme noch kräftig wie die einer Mittzwanzigerin. Der Akzent ließ darauf schließen, dass sie aus der Gegend kam.
»Und was tun Sie genau, Ms. Strike?«
»Mrs. Mein Mann verstarb vor sechs Jahren.«
»Mein Beileid.«
»Er musste ja unbedingt rauchen.« Sie hob leicht eine Schulter. »Und dann bezahlt man eben den Preis.«
»Was tun Sie genau?«, wiederholte ich, weil ich wollte, dass Strike zum Punkt kam.
»Die Toten nach Hause schicken.«
»Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«
»Ich ordne Leichen vermissten Personen zu.«
»Das ist die Aufgabe der Ermittlungsbehörden in Zusammenarbeit mit Coroners und Medical Examiners«, sagte ich.
»Und ihr Profis schafft es jedes Mal.«
Ich verkniff mir eine schnippische Erwiderung. Strike hatte nicht ganz unrecht. St