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Die alten Carmontels hatten ihre Kinder um sich versammelt: Pascal und seine Frau, Gilbert, und der Jüngste, Antoine.
Der Ostersonntag ging zu Ende. Man hatte gegessen; es war ein gutes Essen gewesen, wenn auch ein wenig schwer, mit ausgezeichneten Weinen.
Die Familie befand sich im roten Salon, hinter geschlossenen Fenstern, zum Schutz vor dem eiskalten Frühling.
Vater und Mutter saßen einander gegenüber, die Söhne bildeten einen lockeren Kreis um sie. Kleine, rosafarbene Kekse, mit Zucker bestreut, waren serviert worden; die Carmontels tranken ihren koffeinfreien Kaffee, für die Kinder war Filterkaffee zubereitet worden, der aber auch ein wenig schwach war.
Die Eltern hörten zu, blickten umher, sprachen wenig.
Sie haben nichts mehr zu sagen , dachten die Kinder, nichts auf der Welt interessiert sie mehr. Von uns erwarten sie, daß wir ihnen angenehme Dinge erzählen, die sie anregen, nicht erschrecken. Woran denken sie nur den ganzen Tag? Was ist das Alter anderes als ein vorweggenommenes Sterben?
Die Carmontels gingen selten aus. Sie klagten über ein schwaches Herz, Erstickungsanfälle, tausend Wehwehchen; Monsieur Carmontel war ein trauriger und in sich gekehrter Mann, der sich zu seinen Büchern flüchtete. Schon lange hatte er aufgehört zu arbeiten: Die alte Firma Carmontel und Söhne gehörte der Familie nicht mehr.
Die beiden ältesten, Pascal und Gilbert, waren Advokaten. Antoine, dessen Studium vom Krieg unterbrochen worden war, hatte sich noch für keine Laufbahn entschieden. Die Carmontels waren von alter und wohlhabender bürgerlicher Herkunft und lebten auf großem Fuß. Keines der Kinder wohnte mehr in der großen, düsteren Wohnung am Boulevard Malesherbes. Wie Fremde betraten sie den riesigen, erdrückenden altertümlichen Saal, in dem es keine Blumen gab. Jeder von ihnen bemühte sich, herzlich und wohlmeinend zu sein und soviel Kindesliebe wie möglich an den Tag zu legen, die älteren, um ihrer Mutter zu gefallen, und Antoine, der nie ein mütterlicher Liebling gewesen war, um ein Lächeln auf die feinen, welken Züge, den großen, traurigen Mund seines Vaters zu zaubern.
Die Eltern waren miteinander nicht glücklich gewesen, aber jetzt waren sie alt, und es hatte sich zwischen ihnen ein unsichtbares Band der Freundschaft gebildet; sie hatten sich vereint gegen gemeinsame Feinde: die häuslichen Sorgen, die Undankbarkeit der Kinder, die Angst vor dem Tod. In gewissen Momenten war ihnen deutlich bewußt, daß es trotz der Stürme der Vergangenheit diese Einheit gab gegen alles, was ihre Ruhe bedrohte, diesen teuer erworbenen Frieden des Alters.
Sie betrachteten die Kinder. Antoine, der kam und ging und nicht dazu in der Lage war, seinen Körper einen Augenblick lang stillzuhalten. Gilbert, schweigsam, über quälende Fragen brütend, die sie nicht kannten, niemals kennen würden. Pascal, in Anspruch genommen von seiner Familie, seinen Kindern, seiner Karriere, seinen Geliebten, tausend Sorgen. Sie freuten sich, sie zu sehen. Sie lebten nur noch für diese Abende, an denen sie sie um sich versammelten. Sie wünschten sich, daß die Kinder kamen, dachten ständig an sie, aber kaum waren sie da, wurden sie von Unruhe ergriffen. Wie würde sich Pascal aus der Affäre Brun retten? Er erklärte die Dinge nie klar, ausführlich. Immer diese unselige Ungeduld der Jugend, diese Hast Und Gilbert? Er war verliebt, das war deutlich sichtbar. In wen? Antoine hatte eine Geliebte, diese Nicole Delaney, eine geschiedene Frau, älter als er. Würde er sie heiraten? Wann würde er sich für einen Beruf entscheiden? Man