: Sven Felix Kellerhoff
: Pocket Guide to Germany - Handbuch für amerikanische Soldaten in Deutschland 1944
: riva Verlag
: 9783864139567
: 1
: CHF 2.60
:
: 20. Jahrhundert (bis 1945)
: German
: 128
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Als die amerikanischen Soldaten 1944 im Zuge ihres Kriegseintritts europäischen Boden betraten und auf Deutschland vorrückten, hatten sie dieses Buch im Gepäck: den Pocket Guide to Germany, ausgegeben vom US- Kriegsministerium. Darin wurden ihnen unmissverständliche Verhaltensregeln für den Umgang mit den Deutschen ('Ihr seid nicht in Deutschland, um Vergeltung zu üben oder die Einwohner wie Tiere zu behandeln. Wir sind nicht wie die Nazis.'), eine umfassende Darstellung des deutschen Charakters ('Traut niemandem außer euresgleichen. Nehmt euch besonders vor jungen Deutschen zwischen 14 und 18 Jahren in Acht.') sowie Tipps für den Alltag vermittelt. Dieses Zeitzeugnis liegt hier in einer zweisprachigen Ausgabe vor, eingeleitet und erläutert von Sven Felix Kellerhoff, Geschichtsredakteur der WELT und der Berliner Morgenpost. Eine Lektüre zum Schmunzeln, Kopfschütteln und Nachdenken.

Der Herausgeber Sven Felix Kellerhoff ist Geschichtsredakteur der WELT und der Berliner Morgenpost.

Vorwort

Zwischen Besatzung und Befriedung

DER POCKET GUIDE TO GERMANY DER US-ARMY

»Ihr seid nicht in Deutschland, um Vergeltung zu üben oder die Einwohner wie Tiere zu behandeln. Wir sind nicht wie die Nazis.«1Eine einfache Botschaft – doch sie verlangte enorm viel von jenen jungen Männern, an die sie gerichtet war: War etwa nicht der Kampf gegen Nazideutschland, das halb Europa brutal unter seine Knute gezwungen hatte, das wichtigste Motiv für die hunderttausenden Amerikaner, die im Zweiten Weltkrieg Hitlers Wehrmacht entgegentraten? Waren nicht »die« Deutschen der Grund für all die Zerstörungen in Europa, den massenhaften Tod von Zivilisten und eigenen Kameraden, die unschätzbaren Leiden? Im US-Kriegsministerium in Washington wusste man 1944 genau, dass gerade junge, aus ihrem bisherigen Leben herausgerissene Wehrpflichtige unmissverständliche Verhaltensregeln brauchen. Nur so waren Exzesse gegen geschlagene Feinde oder gar Zivilisten zu vermeiden, die in der Heimat eine verheerende öffentliche Wirkung entwickeln konnten. Andererseits galt es, jede Verbrüderung mit dem Feind zu vermeiden. Um den eigenen GIs sowohl die Besetzung des geschlagenen Kriegsgegners wie die Befriedung Mitteleuropas zugunsten der Zukunft möglichst zu erleichtern, gab die Morale Service Division unter Leitung des US-Deutschland-Experten John J. McCloy denPocket Guide to Germanyheraus. Dieses zentrale Dokument für die deutsch-amerikanischen Beziehungen liegt hier in einer zweisprachigen Ausgabe vor.

Als einige Monate nach dem D-Day die ersten US-Truppen deutschen Boden betraten, waren rund zwei Millionen Exemplare des nur 48 Seiten starken, kleinformatigen Hefts verteilt: »Es hat wohl kein GI gegen Hitler gekämpft, der den Guide nicht irgendwann einmal in Händen gehalten hätte«, schreibt Klaus-Dietmar Henke.2Genau das macht den zeithistorischen Wert desPocket Guideaus: Das darin gezeichnete Deutschlandbild war als Basis für die Besatzungstruppen gedacht, als verallgemeinerbar. Doch so gewiss die Aufgabe der Besatzungstruppen dadurch erleichtert wurde, so wenig enthielt derPocket Guidedirekt anwendbare Lösungen. Die »New York Times« fasste das tastende Vorgehen der Besatzungsmacht Ende März 1945 treffend zusammen: »Schritt für Schritt, durch Versuch und Irrtum, entwickelt sich hier im besetzten Rheinland die amerikanische Politik gegenüber dem besetzten Deutschland.«3

Besonders in der Phase der unmittelbaren Besetzung nach der Eroberung, also je nach geographischer Länge zwischen September 1944 und April 1945, gab es heftige Ausschläge in Richtung beider Extreme, also sowohl hin zu möglicherweise zu nachsichtiger Politik gegenüber den nun ehemaligen Kriegsgegnern wie hin zu übertriebener Härte: In Aachen zum Beispiel, der ersten deutschen Großstadt unter US-Besatzung, etablierte der Kommandeur vor Ort eine deutsche Übergangsregier