Kapitel 1
Der dicke Mann am Ende des Tresens schwitzt. Er hat seinen Kopf tief über seinen doppelten Scotch gesenkt und sieht alle paar Minuten über die Schulter in Richtung der Tür, und dann erkennt man im Licht der Neonröhren einen feinen Schweißfilm auf seiner Stirn. Er stößt einen langen, zittrigen, als Seufzer getarnten Atemzug aus und wendet sich wieder seinem Drink zu.
«Hey. Entschuldigen Sie.»
Ich sehe vom Gläserpolieren auf.
«Kann ich noch einen haben?»
Ich möchte ihm sagen, dass das wirklich keine gute Idee ist. Dass dieses Glas vermutlich das Glas zu viel ist. Aber er ist erwachsen, und wir schließen in einer Viertelstunde, und laut unserer Unternehmensrichtlinien habe ich keinen Grund, seine Bestellung abzulehnen, also gehe ich zu ihm, nehme sein Glas und halte es unter die kopfüber hängende Flasche. Er nickt. «Doppelt», sagt er und wischt sich mit seiner dicken Hand über das schweißnasse Gesicht.
«Das macht dann sieben Pfund zwanzig, bitte.»
Es ist Viertel vor elf an einem Dienstagabend, und dasShamrock & Clover, der Irish Pub im London City Airport, der so irisch ist wie Mahatma Gandhi, macht für heute zu. Die Bar schließt zehn Minuten nach dem letzten Abflug, und im Moment sind außer mir nur noch ein hektischer junger Mann mit einem Laptop, zwei gackernde Frauen an Tisch drei und der Mann da, der sich seinem doppelten Jameson widmet; sie warten auf die FlügeSC107 nach Stockholm undDB224 nach München, wobei der letztere vierzig Minuten Verspätung hat.
Ich bin seit dem Mittag da, weil Carly mit Magenschmerzen nach Hause musste. Das macht mir nichts aus. Es macht mir nie etwas aus, länger zu bleiben. Leise beiCeltic Pan Pipes Of The Emerald Isle Vol. III mitsummend, durchquere ich den Pub und sammle Gläser ein. Die beiden Frauen beugen sich über ein Video auf einem Smartphone. Sie lachen das ungezwungene Lachen der reichlich Angeheiterten.
«Meine Enkelin. Fünf Tage alt», sagt die blonde Frau, als ich über den Tisch nach ihrem Glas greife.
«Süß.» Ich lächle. Für mich sehen alle Babys wie Rosinenbrötchen aus.
«Sie wohnt in Schweden. Da war ich noch nie. Aber ich muss schließlich mein erstes Enkelkind anschauen gehen, oder?»
«Wir trinken auf das Baby.» Wieder brechen sie in Gelächter aus.
«Stoßen Sie mit uns an? Kommen Sie, machen Sie fünf Minuten Pause. Wir können diese Flasche sowieso nicht rechtzeitig leer trinken.»
«Oh! Es geht los. Komm, Dor.» Nach einem Blick auf den Abflugmonitor sammeln sie ihre Habseligkeiten zusammen, und vielleicht bin ich die Einzige, die ein leichtes Schwanken bemerkt, als sie sich auf den Weg zu ihrem Gate machen. Ich stelle ihre Gläser auf den Tresen und lasse meinen Blick durch die Bar wandern, um festzustellen, ob es noch mehr zum Abwaschen gibt.
«Kommen Sie eigentlich nie in Versuchung?» Die kleinere Frau ist zurückgerannt, um ihr Halstuch zu holen.
«Was meinen Sie?»
«Einfach nach Ihrer Schicht dort runterzugehen. In irgendein Flugzeug zu steigen. Mir ginge es so.» Wieder lacht sie. «Jeden verdammten Tag.»
Ich lächle die Art professionelles Lächeln, die alles bedeuten kann, und drehe mich wieder zum Tresen um.
Die Flughafenshops schließen über Nacht, Stahlgitter rasseln vor überteuerten Handtaschen und Toblerone-Verlegenheitsgeschenken herunter. Flackernd erlischt die Beleuchtung an den Gates 3, 5 und 11, blinkende Positionsleuchten zeigen an, wo die letzten Reisenden des Tages in den Nachthimmel hinaufgetragen werden. Violet, die Putzfrau aus dem Kongo, schiebt ihren Reinigungswagen auf mich zu, ihr Gang ist ein langsames Schwingen, d