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Der Komparativ:
Heinz Woplatek baute mit Hilfe seiner emsigen Gemahlin Marianne das Unternehmen aus, eröffnete den ersten Würstelstand, und auch beim kleinen Hansi tat sich etwas auf. Die Bauchdecke.
Das ist eben nichts für einen zarten Bubenkörper: mit einem als Indianergewehr zweckentfremdeten Schweinsschlögel auf imaginäre Cowboys schießen. Und bum, Leistenbruch, dermaßen herausragend, aus dem Mund der australischen Turnusärztin war nur noch ein ehrfürchtiges »Ayers Rock!« zu hören.
Der Superlativ:
Heinz Woplatek übernahm mehrere kleine Konkurrenzbetriebe, ließ innerhalb der Stadtgrenzen seine roten Würstelstände aus dem Boden schießen, und auch beim nicht wirklich größer werdenden Hansi schoss etwas Rotes heraus. Blut.
Das ist eben nichts für so ein zartes Bubenhanderl, erstmals des Vaters Wunsch auszuführen: »Jetzt leg endlich deine gschissenen Bücher weg und stopf ein paar Würsterln, sonst tuscht’s!«, und beim Füllen einer eigenen Kreation, vegetarisch natürlich, Kaiserschmarrn-Reste des Vortages in Kombination mit Powidl und Rum, irrtümlich dann doch ein Stückerl Fleisch mitfaschieren. Wodurch die väterliche Sorge nicht kleiner wurde und sich in Gegenwart des Kunden Willibald Adrian Metzger beispielsweise folgendermaßen zum Ausdruck brachte: »Hat eh schon zwei Linke, der Sautrottel, und jetzt fehlt ihm der rechte Daumen! Schleppen kann er nix, Fleisch frisst er keines, wenn das nicht aufhört mit seiner Leserei, wird er schasaugert auch noch. Was bitte soll ich mit dem Blindgänger einmal anfangen?«
Sprachlos war er natürlich, der Metzger.
Mit elf Jahren gab der kreative Woplatek-Nachwuchs Hansi dann schließlich selbst die Antwort, zu Ehren des Vaters.
Fünfundvierzig Jahre war Heinz Woplatek an diesem Tag alt geworden, die Fleischerei mit Lampions geschmückt, ein Gläschen Prosecco für die Kunden, dazu hausgemachte Husarenkrapfen.
»Dann prost, Herr Woplatek!« Der Metzger stand gerade als einzige Kundschaft in der Fleischerei, mit dabei ein frisch angestelltes, großgewachsenes, sehr fleischlich und kräftig wirkendes Lehrmädchen, vom Chef liebevoll als »Heast Madel!« benannt, da stürmte der kleine Hansi herein, den wuchtigen Schulranzen auf seinen schmalen Rücken geschnallt. Und er trug ihn aufrechter als sonst, alles Gebückte an ihm schien wie weggeblasen.
Sichtlich aufgeregt nahm er an der Seite des Restaurators vor der Frischwurstvitrine Aufstellung, blickte mit strahlenden Augen durch die Glasscheibe zu seinem Vater empor und sprach in dessen Gegenwart mit einem Schlag so viel wie zusammenhängend nie zuvor in seinem Leben: »Weißt du Papa, was ich grad gelernt hab? Dass mein Taufname ›Johann‹ auf Russisch ›Iwan‹ heißt!«
»Und? Soll ich dich jetzt als Hansi der Schreckliche anreden, oder was!«, war die Antwort, gespickt von einem Lacher, des eigenen großartigen Witzes wegen.
»Nein, Papa, aber ich hab mir gedacht, wenn ich groß bin, dreh ich den Nachnamen um und nenn mich statt Woplatek Hansi einfach Ketalpow Iwan!«
Da war es dann für Heinz Woplatek natürlich schlagartig vorbei mit dem Spaß. Hinter der Vitrine kam er hervor, baute sich vor seinem Hansi und neben dem Metzger auf, die Hände in die Hüften gestützt, den Kopf gesenkt, als stünde er vor einem Urinal, und nahm zielbewusst wie einen der blauen Toilettensteine seinen Sohn ins Visier.
»Und da