: Ursula Meyer
: Münster - Weimar und zurück Sieglinde Zürichers zweiter Fall
: Waxmann Verlag GmbH
: 9783830950141
: 2
: CHF 10.80
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 216
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Bei einem Schulausflug zur Burg Hülshoff verschwindet auf rätselhafte Weise ein junges Mädchen und wird kurz darauf tot im Wald gefunden. Erste Nachforschungen ergeben, dass Katharinas Familie aus Weimar stammt und dass sie selbst kurz vor ihrer Ermordung Kontakte nach Ostberlin hatte. War sie Dingen aus der Vergangenheit auf der Spur, die sie besser unangetastet gelassen hätte? Oder ist es eher die Gegenwart in ihrer Wahlheimat Münster, die sie in tödliche Bedrängnis brachte?

Meyers Bücher lesen sich nie en passant, sondern etwas kriminalistisches Gespür und vor allem Aufmerksamkeit ist vonnöten. [...] Stefan Bergmann in: Münstersche Zeitung vom 30. November 2010.

Erstes Kapitel

Der Garten von Gregors Opa ist dreimal so groß wie der ganze Domplatz!“

„Red keinen Unsinn, Kerstin! Einen solchen Garten gibt es in ganz Münster nicht, auch nicht am Pleistermühlenweg!“

„Aber wenn doch die ganze Klasse eingeladen ist!“

Es war Anfang Juni und wir saßen vor weit geöffneten Fenstern beim Abendessen.

Seit einigen Tagen herrschte Hochsommer. Doch als ob alle ahnten, daß er sich schon bald wieder verabschieden würde, um erst im August mit einer drückenden Hitzewelle wiederzukommen, beklagte sich niemand über die ungewohnten Temperaturen. Die Straßencafés und die Freibäder waren überfüllt. In den Abendstunden roch es auf den Terrassen, Balkons und in den kleinen Innenstadtgärten nach Holzkohle und gegrilltem Fleisch. Es war, als wäre Münster über Nacht um zehn Breitengrade südwärts verlegt worden.

Im Mordderzernat war es in letzter Zeit auffallend ruhig. Warum, das hatte mein Kollege Max Lückmann auf den Punkt gebracht: „Auch die Mörder machen immer öfter Urlaub.“

Lückmann nutzte die ruhige Lage, indem er seine Trainerstunden am Tennisplatz der Sentruper Höhe auf drei Abende pro Woche ausdehnte und seine Mittagspause mit Tageszeitung, Niveaöl und Sonnenbrille in die Grünanlagen der Anstalt Mariental verlegte. Angeblich war er dort schon mit dem einen oder anderen „leichten Fall“ ins Gespräch gekommen. Wer konnte schließlich wissen, ob Kontakte dieser Art nicht irgendwann von Nutzen waren?

Ich tat es ihm nach, weniger mit Sonnenöl und Zeitung in der Mittagspause als mit einem pünktlichen Dienstschluß. Zum gemeinsamen Abendessen mit Kerstin, zu letzten Meinungsverschiedenheiten über den optischen Eindruck ihrer schriftlichen Hausaufgaben, zum Vorlesen auf der Bettkante. Die schwülen, ewig hellen Abende, an denen die Luft stand und die Mauersegler mit schrillem Geschrei um die Hausgiebel stoben, machten das Einschlafen schwer.

Den Donnerstagnachmittag nahm ich frei, um mit Kerstin auf die Suche nach einem angemessenen Geburtstagsgeschenk für Gregor zu gehen – und zwar angemessen sowohl dem Alter des Gastgebers als auch dem Anlaß. Wie sich herausstellte, plante sie nämlich den Kauf eines Gameboys.

„Ich kaufe doch kein Weihnachtsgeschenk für jemanden, der dich einen Nachmittag lang in seinen Garten einlädt“, protestierte ich.

„Aber wenn der Garten doch so furchtbar groß ist!“ begann sie wieder. „Alle aus der Klasse sind eingeladen!“

Es war nicht schwer zu erraten, was hinter diesem Einwand steckte: der Vorwurf, daß wir keinen Garten hatten, nicht einmal einen winzigen Balkon. Dafür wohnten wir mitten in der Innenstadt auf dem Prinzipa