Die Korrumpierung des
Bewusstseins durch das Internet
Aufmerksamkeitsdefizite. Die «Taylorisierung» des Bewusstseins durch digitale Medien
Nicholas Carr, ein amerikanischer Journalist, der vor allem für wissenschaftliche Zeitschriften arbeitet, war wohl einer der Ersten, die ihr Unbehagen über die Entwicklung des Internets öffentlich zum Ausdruck brachten. In seinem Buch 2010 erschienenen BuchWer bin ich, wenn ich online bin, und was macht mein Gehirn solange? hat er eine Kritik mit provokanten Thesen veröffentlicht. Bereits 2008 hatte er inThe Atlantic festgestellt: «Das Internet scheint meine Fähigkeit zur Konzentration und Kontemplation auszuhöhlen. Mein Geist erwartet jetzt, Informationen auf eine solche Weise aufzunehmen, wie das Internet sie verteilt: in einem schnell bewegten Partikelstrom.»13
In einem Beitrag zu einer Anthologie mit der Frage «Wie hat das Internet Ihr Denken verändert?» fügt er dem eine Anekdote aus dem amerikanischen Hochschulalltag hinzu. Er erzählt, wie die Cushing Academy in Massachusetts, eine altehrwürdige private Elitevorbereitungsschule, stolz verkündete, anstelle von Tausenden von Büchern in Regalen stünden fortan modernste vernetzte Computer mit hochauflösenden Bildschirmen in der Bibliothek der Schule. «Cushings Bibliothek ohne Bücher würde, so prahlte der Schulleiter James Tracy, zu einem Vorbild für die Schule des 21. Jahrhunderts werden.»14
Dabei ging Tracy davon aus, wie er Carr bei einem Besuch des Internates mitteilte, dass beim Lesen das Medium doch keine Rolle spiele. Ob ein Student der Anglistik Geoffrey Chaucer in einem Buch oder an einem Bildschirm lese, sei letztlich einerlei. Diese weit verbreitete Auffassung aber hält Carr für einen gravierenden Irrtum. «Die Erfahrung des Lesens von Wörtern auf einem vernetzten Computer, ob es sich dabei um einen PC, einiPhone oder einenKindle handelt, unterscheidet sich stark von der Erfahrung des Lesens derselben Wörter in einem Buch. Als Technik fokussiert ein Buch unsereAufme