Kapitel 1
IDEE& MATERIE
Ich weiß, dass ich nichts weiß
Als Sven an diesem Morgen die Treppe hinaufgeht, sieht seine Welt nicht mehr ganz so rosig aus. Es ist Anfang September. Die Sommerferien sind vorbei. Abgesehen von einer kurzen Reise nach Rom, vom Zeitungsaustragen und dem bisschen Mithelfen zu Hause hat er es all die Wochen langsam angehen lassen. Im Grunde genommen hat er die meiste Zeit mit Bram abgehangen. Der perfekte Sommer also.
Doch das war’s dann erst mal mit der Freiheit. Ab jetzt heißt es wieder früh aufstehen, Schule, Hausaufgaben, Fußballtraining. Andererseits ist es auch schön, endlich wieder alle in der Schule zu sehen. Wie ihre Ferien wohl waren? Jelle wird wieder sowohl mit seinem Vater als auch mit der Mutter unterwegs gewesen sein. Loubna hat sicher wieder die ganze Zeit zusammen mit ihrer Familie in Marokko verbracht. Und Wouter war bestimmt wieder mit seiner Mutter zelten an der Nordsee.
Sven packt seine Tasche, wirft einen prüfenden Blick in den Spiegel und geht die Treppe hinunter.
„Hi“, sagt er zu seinem Vater, der am Frühstückstisch sitzt und in die Zeitung versunken ist. Der hebt abwesend den Kopf.
„Guten Morgen, Sven“, sagt er und liest direkt weiter. Sven nimmt seine Pausenbrote und greift nach der Erdnussbutter. „Hm“, sagt sein Vater und schüttelt den Kopf. Sven gießt sich ein Glas Tee ein. Der Vater murmelt irgendwas, faltet nachdenklich die Zeitung zusammen und steht auf.
„Ist was?“, fragt Sven.
Sein Vater schüttelt nur den Kopf. „Ich muss los. Dein erster Tag heute, oder?“
Sven nickt.
„Pack’s gut, Großer.“
„Danke.“
Als sein Vater die Tür hinter sich zuschlägt, nimmt Sven die Zeitung und sucht nach dem Artikel, der den Vater so beschäftigt hat. Ein Foto von einem Haus war auch dabei, hat Sven gesehen. Er blättert so lange, bis er die Seite gefunden hat.Wohltäter kommt Jugend zu Hilfe, lautet die Überschrift. Sven überfliegt den Artikel: Ein reicher Bürger der Gemeinde will, dass in einem seiner Häuser eine Anlaufstelle für obdachlose Jugendliche eingerichtet wird. Er möchte mit der Gemeinde über die nötigen Genehmigungen sprechen. Das Foto zeigt ein schönes Haus. Hoch, mit einer schweren, hölzernen Tür, in der es so eine altmodische Klappe gibt. Offensichtlich steht es leer.
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