1.Der Schlüssel von Christiane und Blackout beim Kanzler
Kein Mensch erregt viel Aufmerksamkeit, wenn er in einem Reisebüro seinen Flug nach Mallorca bucht. Vor allem dann nicht, wenn nebenan gerade ein gutaussehender Mann eine Asienrundreise erster Klasse ordert und beiläufig erwähnt, dass sich die Platinum-Card-Leute um seine Hotelreservierungen und Städterundreisen kümmern.
»Hinflug Düsseldorf – Palma de Mallorca am 7. Oktober um 15.25 Uhr?!«
»Ja!«
»Und Rückflug?!«
»Am 6. Oktober!«
Die junge Frau blickte über den Rand ihres Buchungscomputers. Der Mann im Regenmantel mit seiner freundlichen Hornbrille hatte noch vor einer Minute so vernünftig ausgesehen.
»Ist das Ihr Ernst?!«
Michael hatte sich selbst gefragt, ob das eines Tages wirklich sein Ernst sein könnte. Bei der Asienreise nebenan war es ruhiger geworden. Man schien sich dort dieselbe Frage zu stellen.
»Genau so! Rückflug am 6. Oktober in einem Jahr«, hörte Michael sich sagen. Die Finger der Reiseverkehrsfrau trommelten ratlos auf dem Rand des Computers. Woher kannte sie dieses Gesicht? Vom Fernsehen?
»Tut mir leid. Das geht nicht mit dem Rechner. Ich glaube, da müssen wir ein one way buchen. Um den Rückflug kümmern Sie sich dann selber auf Mallorca.« Sie schenkte ihm ein kleines Lächeln. »Dann können Sie es sich ja immer noch überlegen, wie lange Sie dort bleiben wollen, Herr Weidling!«
Endlich hatte sie es: Weidling. Reporter aus dem Bonner Studio. Michael kannte diesen ratlosen Ausdruck in den Gesichtern der Leute kurz vor dem Wiedererkennen. Das Fernsehen machte sie alle für die Zuschauer jünger und größer. Ein Kollege von einer Münchner Zeitung hatte ihm einmal bei einem Pressegespräch mit Helmut Schmidt erschrocken zugeflüstert: »Ich wusste gar nicht, dass Deutschland von einem Zwerg regiert wird!«
Michael setzte sich auf den Stuhl, während das Ticket ausgestellt wurde. Gab es noch etwas zu überlegen? Das Wetter vor dem Reisebüro war die Antwort. Hier war wieder einmal bereits im September November. In dünnen Fäden trieb der Wind den Sprühregen gegen sein Gesicht, als er wieder auf der Straße stand. Fast war es schon dunkel geworden. Im Zwielicht des Nieselregens schoben sich die Autos mit nervösem Hupen durch den Kreisverkehr vor dem Reisebüro. Das Menschenknäuel an der Ampel drängte über den Zebrastreifen in den Feierabend. Michael ließ sich im Strom vorantreiben. Seine Hand ruhte auf dem Ticket in der Manteltasche. Viel zu überlegen gab es jetzt nicht mehr.
Im Bekanntenkreis hatte sich schnell herumgesprochen, dass Michael ein Jahr auf Mallorca verbringen wollte. Freunde, Bekannte und Leute, die er kaum oder nur vom Hörensagen kannte, riefen an und beglückwünschten ihn. Ebenso seine Kollegen. Ermutigungen, Schulterklopfen und freundliche Ratschläge wurden dem Reisenden mit auf den Weg gegeben.
Plötzlich stellte sich heraus, wie viele Mallorca-Fans es in der Bekanntschaft gab. Sogar sein Steuerberater, der trockene Schleicher, kam ins Schwärmen und beschwor die Bucht von Pollença als den Ort seiner Träume.
»Seit vierzehn Jahren mache ich dort in einem kleinen Haus Urlaub. Port de Pollença kenn’ ich noch als kleines Fischerdorf. Warum haben wir nie darüber gesprochen?«
Die Post vom Finanzamt würde er ihm im Sommer persönlich vorbeibringen. »Aber vielleicht kaufen Sie sich da was, wie die vielen anderen Kollegen, die ich betreuen darf?« Ein Haus auf Mallorca – das beste Invest, zu dem er im Augenblick raten könne. Michael versuchte, noch einen Blick auf das Familienfoto seines Ratgebers zu werfen. Die Rückseite des Rahmens auf dem Schreibtisch kannte er seit Jahren. Jetzt musste er sich für die Vorderseite interessieren, um zu sehen, welcher Besuch ihn da im Sommer auf Mallorca erwartete.
Auf diese Weise erhielt der Reisende in den nächsten Wochen von überall her Adressen, und dann bekam er sogar den Zweitschlüssel für ein Haus an der Nordwestküste von den Möllers aus Düsseldorf, mit dene