: Wilhelm Raabe
: Stuttgarter Trilogie: Der Hungerpastor + Abu Telfan + Der Schüdderump
: e-artnow
: 9788026827306
: 1
: CHF 1.80
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 1272
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dieses eBook: 'Stuttgarter Trilogie: Der Hungerpastor + Abu Telfan + Der Schüdderump' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältigkorrekturgelesen. Inhalt: Der Hungerpastor Abu Telfan - Die Heimkehr eines Afrikaners Der Schüdderump Der Hungerpastor ist ein Entwicklungsroman. Geschildert wird der Werdegang des Hans Unwirrsch vom Kind armer Leute zum Dorfpfarrer; der Handlungszeitraum reicht vom Geburtstag im Jahr 1819 bis zum ersten Lebensjahr des Sohnes um 1853. Abu Telfan: Der 27-jährige Leonhard Hagebucher war an der Universität Leipzig eingeschrieben, lief jedoch von zuhause fort und ging nach Ägypten, wo er beim Durchgraben der Landenge von Suez helfen wollte. Von Chartum aus ins Landesinnere vordringend geriet er 1848 in die Gewalt der Baggara, eines nomadisch lebenden Volkes von Viehhirten. Von denen wurde er nach Abu Telfan, eine Stadt in Dar-Fur, in die Sklaverei verkauft. Der Schüdderump: Die schöne Antonie Häußler, Enkelin eines Dorfbarbiers, will unter keinen Umständen einen Adeligen heiraten. So verweigert sich das junge Mädchen beharrlich und stirbt lieber einen langsamen Tod. Wilhelm Karl Raabe, pseudonym: Jakob Corvinus (1831-1910) war ein deutscher Schriftsteller. Er war ein Vertreter des poetischen Realismus, bekannt für seine gesellschaftskritischen Erzählungen und Romane.

Zweites Kapitel



Die Alten meinten, es sei für ein großes Glück zu achten, wenn die Götter einen in einer berühmten Stadt geboren werden ließen. Da aber dieses Glück sehr berühmten Männern nicht zuteil geworden ist, indem Bethlehem, Eisleben, Stratford, Kamenz, Marbach und so weiter vordem nicht grade glänzende Punkte in der Menschen Gedenken waren, so wird für Hans Unwirrsch wenig darauf ankommen, wenn er in einem Städtchen namens Neustadt das Licht der Welt erblickte. Es gibt nicht wenige gleichbenannte Städte und Städtchen; aber sie haben sich nicht um die Ehre, unsern Helden zu ihren Bürgern zu zählen, gezankt. Johannes Jakob Nikolaus Unwirrsch machte seinen Geburtsort nicht berühmter in der Welt.

Zehntausend Einwohner hatte das Nest im Jahre 1819; heute hat es hundertundfünfzig mehr. Es lag und liegt in einem weiten Tal, umgeben von Hügeln und Bergen, von denen herab Wälder sich bis in die Stadtmarkung ziehen. Trotz seines Namens ist es nicht neu mehr; mühsam hat es seine Existenz durch wilde Jahrhunderte gerettet und genießt jetzt eines ruhigen, schläfrigen Greisenalters. Die Hoffnung, noch einmal zu etwas Rechtem zu kommen, hat’s allmählich aufgegeben und fühlt sich darum nicht unbehaglicher. In dem kleinen Staate, welchem es angehört, ist es immer ein Faktor, und die Regierung nimmt Rücksicht auf es. Der Klang seiner Kirchenglocken machte einen angenehmen Eindruck auf den Wanderer, der auf der nächstgelegenen Höhe aus dem Walde trat; und wenn sich grade die Sonne in den Fenstern der beiden Kirchen und der Häuser spiegelte, so dachte derselbe Wanderer selten daran, daß nicht alles Gold ist, was glänzt, und daß Glockenklang, fruchtbare Felder, grüne Wiesen und eine hübsche kleine Stadt im Tal noch lange nicht genug sind, um ein Idyll herzustellen. Amyntas, Palämon, Daphnis, Doris und Chloe konnten sich das Leben drunten im Tal oft recht unangenehm machen. Da das Lämmerweiden und -scheren ein wenig aus der Mode gekommen ist, so fiel man sich einander gegenseitig in die Wolle, und es mangelte nicht an Scherereien aller Art. Aber man freite und ließ sich freien und kam, alles in allem genommen, doch ziemlich gemächlich durch das Leben; – daß die Lebensbedürfnisse nicht unerschwinglich teuer waren, trug wohl sein Teil dazu bei. Der Teufel hole den ganzen Geßner, wenn Obst und Most mißraten und Milch und Honig rar sind in Arkadien!

Doch wir werden wohl noch Gelegenheit finden, über dies alles hie und da einige Worte zu verlieren, und wenn nicht, so schadet es nichts. Für jetzt müssen wir uns zu dem jungen Arkadier Hans Unwirrsch zurückwenden und sehen, auf welche Weise er sich im Leben zurechtfindet.

Eine recht ungebildete Frau war die Witwe des Schusters. Lesen und schreiben konnte sie kaum notdürftig, ihre philosophische Bildung war gänzlich vernachlässigt, sie weinte leicht und gern. In der Dunkelheit geboren, blieb sie in der Dunkelheit, säugte ihr Kind, stellte es auf die Füße, lehrte ihm das Gehen, stellte es für das ganze Leben auf die Füße und lehrte ihm für das ganze Leben das Gehen. Das ist ein großer Ruhm, und die gebildetste Mutter kann nicht mehr für ihr Kind tun.

In einem niederen, dunkeln Zimmer, in das wenig frische Luft und noch weniger Sonne drang, erwachte Hans zum Bewußtsein, und dies war in einer Hinsicht gut; er fürchtete sich später nicht allzusehr vor den Höhlen, in welchen die bei weitem größere Hälfte der an den Segnungen der Zivilisation teilnehmenden Menschheit ihr Dasein hinbringen muß. Sein ganzes Leben hindurch nahm er Licht und Luft