: Rebecca Maria Salentin
: Schuld war Elvis Roman
: C.Bertelsmann Verlag
: 9783641137625
: 1
: CHF 5.40
:
: Erzählende Literatur
: German
: 512
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein Eifeldorf, ein Fachwerkhaus und eine kunterbunte Großfamilie

Inmitten einer Großfamilie, deren Mitglieder ebenso stur wie lebenslustig sind, wird in den Siebzigerjahren das Mädchen Hebron geboren.

Den eigenwilligen Namen verdankt sie ihrem Vater, der sich nach der Zeugung in seine Heimat Israel abgesetzt hat. Überhaupt hatte ihre Mutter Meggy Pech mit den Männern: Vom örtlichen Friseur bekommt sie Zwillinge. Der hätte sie gern geheiratet – wäre er nicht bei einem Autorennen ums Leben gekommen. Der Vater ihres Sohnes Francis ist ein katholischer Mönch, und Ben Omars Erzeuger Hadschi ist ein Rastafari mit Hundehaufenfrisur, dem seine Haschplantage wichtiger ist als die Kindererziehung, während Meggy die Familie ernährt. Die bunte Schar bewohnt ein windschiefes Fachwerkhaus in einem biederen Eifeldorf.

Da Hadschi verschwunden ist, muss Hebron sich um die kleinen Geschwister kümmern. Als sie daran fast zerbricht, reist sie nach Israel, um ihren Vater zu finden …

Rebecca Maria Salentin, geboren 1979 in Eschweiler, aufgewachsen in der Eifel, lebt in Leipzig. Sie hat selbst jüdische und katholische Wurzeln und stammt aus einer Großfamilie. Die Autorin las beim Open Mike und nahm am Klagenfurther Literaturkurs teil. Ihr erster Roman"Hintergrundwissen eines Klavierstimmers" ist bei Schöffling erschienen und erregte große Aufmerksamkeit. In Leipzig betreibt sie in einem alten Zirkuswagen das Sommercafé ZierlichManierlich.

Heiliger Josef

Als Hebron aufhörte zu schreien, im Kinderwagen saß und endlich einen Blick auf die hässlichen Fünfzigerjahre-Klinkerfassaden in der Dürener Fußgängerzone oder die schon fast blattlosen Baumkronen des Hürtgenwalds warf, dabei immer einen Keks in der Hand, fand Meggy einen Verehrer.

Der Verehrer hieß Willy und fuhr einen apfelgrünenVW Scirocco. Willy befreite Meggy aus einer misslichen Lage: Sie machte mit Hebron den üblichen Spaziergang durch den herbstlichen Hürtgenwald, als sich ein Rad des Kinderwagens löste. Meggy steckte das Rad wieder auf, aber alle paar Meter fiel es erneut ab, und als sie endlich die schmale Straße erreichte, die in ihr Dorf zurückführte, war Meggy mit den Nerven am Ende.

Willy, der die Abkürzung nahm, die diese Straße bot – deklariert war die Straße als Forstweg, aber so was hat die Eifeler noch nie beeindruckt –, nahm die Kurven mit Höchstgeschwindigkeit und hätte Mutter, Wagen und Kind beinahe überfahren, wäre er im Rasen nicht so geübt gewesen, denn Willy war Schrauber, Fahrer und Friseur beim 1. Eifeler Scirocco-Team.

Er bremste also scharf, kam gleich neben Meggy zum Stehen, sah das lose Rad in ihrer Hand und wusste, dass hier ein Mann gebraucht wurde. Mit einer geschickten Bewegung riss er das Foto seiner Exfreundin von der Innenseite der Frontscheibe und ließ es im Schaft seines Stiefels verschwinden, bevor er aus dem Wagen stieg.

Und obwohl Meggy nicht auf Oberlippenbärte und künstliche Sonnenbräune stand, gefielen ihr seine dunklen Locken und die resolute Art, in der er Mutter, Kind und Wagen in sein – für solche Zwecke eigentlich nicht gedachtes – Auto packte.

Als Willy die quengelnde Hebron dann noch mit ein paar Grimassen zum Lachen brachte, lud Meggy ihn zu einem Stück versenkten Apfelkuchen mit Schlagsahne ein, das er aß, während er den Kinderwagen reparierte.

Und Willy, der eine Schwäche für Äpfel hatte, parkte seinen leuchtend grünen Wagen von diesem Tag an fast täglich in der steilen Gasse vor Meggys Haus am Ochsenhügel.

Willy war mit seinem Scirocco in Meggys Leben gerast, und ebenso rasant preschte er in die Herzen ihrer Familie.

Meggys Brüder, die Zwillinge Fred und Franz, reagierten auf das Motorengeknatter und die scharfe Bremsung, mit der Willy in den Hof der Schreinerei einbog, mit Skepsis, aber dann war sein Handschlag fest, sein Interesse an der Schreinerei echt und die Bewegung, mit der er ihnen den Schlüssel über die Kreissäge zuwarf, beeindruckend locker. Noch beeindruckender waren allerdings die Worte dazu: »Fahrt ein Ründchen, wenn ihr wollt, aber passt auf, dass mein grünes Liebchen nicht allzu dreckig wird!«

Die Schwestern waren begeistert – und auch ein wenig erleichtert, denn sie hatten befürchtet, Meggy fände aufgrund der unehelichen Vermehrung keinen Mann mehr.

Auch Meggys Eltern Clementine und Josef mochten Willy gleich. Clementine hatte einen Sonntagsbraten in den Ofen geschoben, zu dem es Dosenerbsen, Kartoffeln und braune Soße gab; sie war froh, dass Meggy ihnen einen Mann vorstellte, denn dass keiner von ihnen Hebrons Vater auch nur einmal zu Gesicht bekommen hatte, missfiel ihr sehr. Das Wenige, was ihr über diesen Apelstejn bekannt war, missfiel ihr noch mehr, wer wusste schon, ob man einem Juden trauen konnte, der sich ausgerechnet Deutschland für seine Karriere au