: Jean-Christophe Grangé
: Die purpurnen Flüsse Thriller
: Verlagsgruppe Lübbe GmbH& Co. KG
: 9783732508648
: 1
: CHF 3.60
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 413
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

In der kleinen Universitätsstadt Guernon nahe Grenoble wird die grausam zugerichtete Leiche des Bibliothekars Rémy Callois entdeckt. Der ermittelnde Kommissar glaubt zunächst an einen Ritualmord, bis ganz in der Nähe ein weiterer Toter gefunden wird: der Krankenpfleger Philippe Sertys. Gezielt gelegte Spuren haben die Polizei zu ihm geführt.

Zur gleichen Zeit versucht ein Inspektor in einem französischen Provinznest, das rätselhafte Verschwinden eines zehnjährigen Schülers aufzuklären. Als sich herausstellt, dass beide Kriminalfälle in Zusammenhang stehen, beginnt eine fieberhafte Spurensuche. Bald ist klar, dass die zwei Toten keineswegs unschuldige Opfer waren, und die 'purpurnen Flüsse' erweisen sich als Chiffre für ein furchtbares Verbrechen ...

1


»Ganamos! Ga-na-mos!«

Pierre Niémans, das Funkgerät in der Hand, beobachtete die Menschenmenge unter sich, die über die Betontreppen des Parc-des-Princes-Stadions abwärts drängte. Tausende erhitzter Köpfe, weißer Fahnen, grellbunter Schals, die ein schillerndes, vielfarbiges Band bildeten. Wie ein Konfettischauer. Oder eine Legion irrer Dämonen. Und immerfort diese drei Silben, langsam und ohrenbetäubend:»Ga-na-mos!«

Der Polizist stand auf dem Dach des Kindergartens gegenüber dem Stadion und leitete die Manöver der dritten und vierten Brigade der CRS, der republikanischen Sicherheitstruppen. Die Männer in Dunkelblau trugen schwarze Helme und Polycarbonat-Schilde zu ihrem Schutz. Es war die klassische Methode: zweihundert Männer zu beiden Seiten jeder Gruppe von Ausgängen und zusätzliche »Abschirmkommandos«, die dafür zu sorgen hatten, dass die Anhänger der beiden Mannschaften sich nicht nahe kamen oder aufeinandertrafen, ja sich nicht einmal gegenseitig wahrnahmen …

Für das Spiel Zaragoza-Arsenal in der Champions League 96, das einzige Match des Jahres, bei dem zwei nichtfranzösische Mannschaften in Paris gegeneinander antraten, waren mehr als vierzehnhundert Polizisten und Gendarmen mobilisiert worden. Ausweiskontrollen, Leibesvisitationen und Einkreisung der vierzigtausend Fans, die aus Spanien und England angereist waren. Hauptkommissar Pierre Niémans war einer der Koordinatoren der Manöver. Diese Art von Einsatz gehörte nicht zu seinen üblichen Aufgaben, doch er schätzte solche Übungen. Überwachung und Konfrontation, im wahrsten Sinn des Wortes. Ohne Ermittlungen, ohne bürokratische Vorschriften. Ein Gratisangebot, das er in gewisser Weise erholsam fand. Und er liebte das militärische Gepräge dieser vorrückenden Armee.

Die Fans waren inzwischen auf der ersten Ebene angelangt – man sah sie zwischen den Betonträgern der Konstruktion, oberhalb der Ausgänge H und G. Niémans warf einen Blick auf die Uhr. In spätestens vier Minuten waren sie draußen auf der Straße. Dann wurde es gefährlich: Wenn die verfeindeten Fans sich begegneten, konnte die Situation außer Kontrolle geraten. Die Oktobernacht vibrierte vor Spannung.

Zwei Minuten. Instinktiv drehte Niémans sich um und sah in der Ferne die Place de la Porte de Saint-Cloud. Völlig menschenleer. Wie beunruhigende Totempfähle erhoben sich die drei Fontänen in die Nacht. Entlang der Avenue reihten sich die Mannschaftswagen der CRS aneinander, und die Männer standen daneben, die Helme an den Gürtel geschnallt, ließen die Schultern kreisen und klopften sich mit dem Schlagstock an die Beine. Die Reservebrigaden.

Das Getöse schwoll an. Die Menge strömte zwischen den Absperrgittern hindurch. Niémans konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen: Das war es, was er suchte. Wie eine Woge quollen die Menschen auf die Straße. Schrille Fanfarenstöße erhoben sich über das Stimmengewirr. Ein Donnergrollen ließ jeden Zwischenraum im Beton erbeben.»Ga-na-mos! Ga-na-mos!« Niémans schaltete sein Funkgerät ein und sprach mit Joachim, dem Chef der