: Leonardo Sciascia
: Der Zusammenhang Ein sizilianischer Kriminalroman
: Verlag Klaus Wagenbach
: 9783803141767
: 1
: CHF 8.00
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: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 128
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Der Zusammenhang«, ursprünglich auf Deutsch unter dem Titel »Tote Richter reden nicht« veröffentlicht, trägt den Untertitel 'Eine Parodie'. Aber wie der Leser sofort ahnt, geht es alles andere als lustig zu. Ob Staatsanwalt Varga ermordet wurde, weil er besonders unerbittlich die öffentliche Anklage im Prozess Reis vertreten hatte? Der Polizeiminister setzt den scharfsinnigsten Ermittlungsbeamten, Inspektor Rogas, ein - um der Öffentlichkeit das Vertrauen in die Polizei wiederzugeben oder sie von der Unlösbarkeit des Falls zu überzeugen? Kaum hat Rogas seine Ermittlungen aufgenommen, als Richter Sanza - ebenfalls mit einer Kugel im Herzen - aufgefunden wird. Sollte dieser Mord vom ersten ablenken oder hatten die beiden vielleicht etwas miteinander zu tun? Während Rogas noch ermittelt, wird Richter Azar ermordet. In der Regierung ist man überzeugt, daß der Täter ein Verrückter sei. Aber Rogas findet heraus, dass Varga und Azar im Örtchen Algo jahrelang gemeinsam tätig waren. Tatsächlich wird dort wenig später Richter Rasto ermordet ... Mit genauer Kenntnis beschreibt Sciascia das Netz von Intrigen, Ablenkung und Schweigen, mit dem Rogas auf Seiten der Mächtigen zu kämpfen hat.

Leonardo Sciascia wurde 1921 in Racalmuto auf Sizilien geboren. Schon während seiner langjährigen Tätigkeit als Volksschullehrer arbeitete er nebenbei als Schriftsteller und Journalist. Ab 1957 widmete er sich ausschließlich dem Schreiben. Sciascia verfasste zahlreiche Kriminalromane, Erzählungen, Essays und auch Gedichte. Er starb 1989 in Palermo.

STAATSANWALT VARGA war mit dem Prozeß Reis beschäftigt, der seit etwa einem Monat lief und sich mindestens noch zwei weitere Monate hingezogen hätte, als er an einem milden Maiabend ermordet wurde; laut Zeugenaussagen und Obduktionsbefund nach zehn Uhr und nicht später als um Mitternacht. Die Zeugenaussagen stimmten in Wahrheit nicht genau mit den Ergebnissen der Leichenschau überein: der Gerichtsarzt setzte den Augenblick des Ablebens gegen Mitternacht an, während die Freunde, mit denen der Staatsanwalt als ein Mensch mit festen Gewohnheiten sich allabendlich zu treffen pflegte und mit welchen er auch an jenem Abend beisammen war, behaupteten, daß er sie gegen zehn Uhr verlassen hatte. Da er zu Fuß nicht länger als zehn Minuten für den Heimweg gebraucht hätte, verblieb ein Zeitraum von mindestens einer Stunde, und es galt herauszufinden, wo und wie der Staatsanwalt jene Stunde verbracht hatte. Vielleicht waren seine Gewohnheiten weniger fest, als es den Anschein hatte, und es gab in seinem Tagesablauf frei verfügbare Stunden einsamen und selbstvergessenen Umherspazierens; vielleicht hatte er Gewohnheiten, die auch seinen Freunden und Angehörigen unbekannt waren. Boshafte Vermutungen wurden hinter vorgehaltener Hand angestellt und von der Polizei wie von seinen Freunden weitergeflüstert. Aber noch bevor sie an die Öffentlichkeit drangen, kam es zu einer Sitzung der obersten Behördenvertretung des Bezirks, auf der beschlossen wurde, daß alle Nachforschungen über jene verbleibende Stunde einen Angriff auf das Andenken eines Mannes darstellten, dessen weiße Weste sogar neben allen Tugenden noch in ihrer Makellosigkeit erstrahlt wäre, und daher zu unterbleiben hätten. Der Bischof hielt überdies die Tatsache, daß der Staatsanwalt unterhalb eines jasminüberwachsenen Mäuerchens gefunden worden war, die Finger um eine Blüte geklammert, für schicksalhaft, war doch jene frisch gepflückte Blume Sinnbild eines unbefleckten Lebens, einer Herzensgüte, deren Duft noch in den Gerichtssälen, im Schoße der Familie und an all jenen Orten zurückgeblieben war, die der Staatsanwalt zu besuchen pflegte, den bischöflichen Palast inbegr