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Eine letzte Lektion
Sensei Kyuzo hob kampfbereit die Fäuste und forderte Jack auf, ihn anzugreifen.
Doch selbst ohne die Verletzung wäre Jack seinem Lehrer im waffenlosen Kampf unterlegen gewesen. Mit einer verbundenen Hand war er so gut wie tot.
Deshalb griff er nach demkunai in seinem Gürtel.
Sensei Kyuzo zuckte nicht mit der Wimper, als er die Waffe sah. »Dann wird mir wenigstens nicht langweilig«, höhnte er.
Sie umkreisten die Mitte des Raumes und nur das Scharren ihrer nackten Füße auf dem polierten Holzboden war zu hören. Geduldig wartete Sensei Kyuzo darauf, dass Jack angriff.
»Ich überlasse dir den ersten Zug«, sagte er und kniff erwartungsvoll die Augen zusammen.
Sein Vertrauen in seine eigenen kämpferischen Fähigkeiten grenzte inzwischen an Größenwahn. Doch Jack wusste, dass der erste Angriff vielleicht die einzige Chance war, die er bekam. Aber bevor er ihn führte, musste er eine Lücke in der Abwehr seines Gegners finden.
Auf den ersten Blick war keine Schwachstelle zu erkennen, die Haltung seines Lehrers war so gut wie perfekt. Doch dann bemerkte Jack, dass die linke Schlaghand ein wenig zu tief hing. Für einen erfahrenen Krieger war das die Gelegenheit, sofort mit aller Kraft dort anzugreifen. Andererseits konnte ein solcher scheinbarer Fehler bei einem so verschlagenen Gegner wie Sensei Kyuzo genauso gut eine Falle sein.
Jack beschloss, einen Angriff auf die scheinbare Blöße vorzutäuschen, dann aber stattdessen einen tieferen Stoß auf die Rippen zu führen.
Er stieß mit dem Messer von oben zu und Sensei Kyuzo hob den Arm, um den Angriff abzuwehren. Dadurch war seine linke Seite ungeschützt und Jack veränderte rasch die Stoßrichtung des Messers. Doch Sensei Kyuzo war auch darauf gefasst. Seine rechte Faust schnellte vor und traf mit den Knöcheln einen Nervenpunkt auf dem Rücken von Jacks rechtem Handgelenk. Die Hand krampfte sich zusammen und Jack ließ das Messer fallen. Es flog durch den Raum und landete klappernd irgendwo im Dunkeln.
Bevor Jack sich außer Reichweite des Lehrers zurückziehen konnte, griff dieser blitzschnell an. Mit der linken Faust schlug er auf Jacks untere Rippen. Der Schlag lähmte Jack und er krümmte sich zusammen. Ein rechter Haken erwischte ihn am Auge, ein weiterer Faustschlag von links gegen das Kinn streckte ihn zu Boden. Er sah Sternchen, der Kopf dröhnte ihm und er krümmte sich vor Schmerzen. Am Boden war er ein leichtes Opfer für seinen Lehrer. Doch der machte keine Anstalten, ihn zu erledigen.
»Steh auf!«, fauchte er. In seinen Augen glomm ein boshafter Funke.
Jack atmete tief ein, um sich ein wenig von den Schlägen zu erholen, die wie Hämmer auf ihn niedergeprasselt waren. Offenbar hatte der alte Lehrer vor, den Kampf in die Länge zu ziehen und seinen Triumph auszukosten. Diese Genugtuung wollte er ihm nicht verschaffen, am liebsten wäre er deshalb liegen geblieben. Andererseits wollte er auch nicht so schnell aufgeben. Er wischte sich das Blut von der aufgesprungenen Unterlippe und stand unsicher auf.
»Hast du bei mir denn überhaupt nichts gelernt?« Sensei Kyuzo klang