: Klaus Prange
: Jochen Kade, Werner Helsper, Christian Lüders, Frank Olaf Radtke, Werner Thole
: Schlüsselwerke der Pädagogik Band 1: Von Plato bis Hegel
: Kohlhammer Verlag
: 9783170277120
: 1
: CHF 14.30
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: Allgemeines, Lexika
: German
: 256
: Wasserzeichen/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB/PDF
Pedagogy, as conscious companion to education, is influenced by cultural context, social constellation und biographical fortune. This consciousness has developed in to various types of expression. They reach from examples and tractates, novelist forms and programmatic essays to the systematic works of the older and current theory of education. The two volumes interpret the great works of pedagogic literature's contemporary meaning as well as the effects of the key texts for the development of pedagogic thinking.

Prof. Prange taught general pedagogy at the university of Tübingen.

1. Einleitung


Es versteht sich, dass jeder Jurist das Bürgerliche Gesetzbuch kennt und die Geistlichen mit der Bibel vertraut sind; künftige Philosophen werden kaum an Platos Dialogen und der Kritik der reinen Vernunft vorbeikommen, auch wenn die weitere Lektüre dann recht verschieden ausfallen mag. Doch in der Pädagogik dürfte es schwer fallen, überhaupt einen Text anzugeben, der unbedingt von allen zu lesen wäre und gelesen wird, die sich als Experten dieses Faches ansehen. Hier verhält es sich eher so wie mit der so genannten schönen Literatur: der eine schätzt Dante und Goethe, die anderen halten sich an Thomas Mann und Samuel Beckett. Es mag örtliche Lektürevorschriften geben, aber einen Kanon als Pflichtprogramm für das Studium der Pädagogik gibt es nicht, und er scheint auch nicht erreichbar, vermutlich vielen nicht einmal erstrebenswert.

Wo Vorschriften fehlen, öffnet sich das weite Feld der Empfehlungen und der Beratung. In der Tat enthalten die gängigen Einführungen in die Pädagogik und ihre Gebiete zumeist auch Lektürevorschläge, gleichsam als Wegweiser im Labyrinth der Texte. So findet sich in dem überaus nützlichen Wörterbuch der Pädagogik , das Winfried Böhm herausgegeben hat, eine Liste der pädagogischen Hauptwerke . Sie umfasst nicht weniger als 99 Titel und Namen, angefangen mit Platos Dialog Menon und einigen wenigen Schriften aus Antike und Mittelalter, Renaissance und Barock, um dann mit Rousseau in den breiten Strom der modernen Literatur zu Fragen der Erziehung, der Bildung und des Lernens einzumünden. Wer all das gelesen hat, wird von sich sagen dürfen, ein Fachmann zumindest des europäischen Erziehungsdenkens zu sein, auch wenn man noch an andere Autoren denken mag, die in der hier vorgelegten Sammlung berücksichtigt sind. Zum Beispiel Quintilian mit seinem Meisterwerk zur rhetorischen Erziehung oder Benedikt, dessen Mönchsregel das Muster für alle anderen Regeln des monastischen Lebens geworden ist, die noch folgten, oder Roger Ascham, dessen Scholemaster von 1570 ein gutes Beispiel für die Schul- und Unterrichtspädagogik der Renaissance ist.

Im Einzelnen ist es wenig ergiebig, über die jeweils getroffene Auswahl zu rechten. Es soll hier genügen, die Gesichtspunkte zu nennen, die diese Auswahl bestimmt haben. Der erste und wichtigste ist, dass das betreffende Werk überhaupt etwas Wesentliches über Erziehung und Lernen enthält; des Weiteren ergibt sich die Bedeutung eben daraus, dass es einen Schlüssel zum Verständnis einer bestimmten Form und Absicht des Erziehens bietet, und drittens ist es der Gesichtspunkt der geschichtlichen und traditionsbildenden Wirkung eines Werks, wie sie zum Beispiel mit Rousseaus Emile gegeben ist. Was jeweils allein oder in Kombination mehrerer Gesichtspunkte maßgebend für die Auswahl gewesen ist, wird sich im Durchgang zeigen und braucht nicht vorweg in allgemeiner Weise erörtert zu werden. Es sei aber nicht verschwiegen, dass gerade bei neueren Werke Präferenzen und Vorlieben des Verfassers sowie auch Wünsche des Auditoriums eine Rolle gespielt haben, dem die Nachlese oder wie man heute vornehm sagt: dieserélecture in einem mehrsemestrigen Zyklus von Vorlesungen angeboten worden ist. Daraus erklärt sich auch der Duktus des Folgenden, den ich im Wesentlichen nicht geändert, sondern nur hier und da etwas ermäßigt und von den schlimmsten Kathedermanieren befreit habe.

Wichtiger als die Begründung der Auslese ist es, vorweg die Form der Behandlung anzugeben und etwas dazu zu sagen, auf welche Weise und unter welchen Gesichtspunkten die Nachlese erfolgt. Wie liest man einen Text über Lernen und Erziehung aus dem Altertum oder aus dem 13. Jahrhundert, aus Amerika oder aus dem Spiegel ? Es ist ein Irrtum anzunehmen, jeder könne alles lesen, nur weil man schon als Kind mit zehn Jahren in der Lage gewesen ist, Texte zu entziffern und zu lesen . Auf diesen Standpunkt mag sich ein Psychologe stellen, der eben das Entziffern zu seinem Beobachtungsobjekt macht und feststellt, wann mit welcher Sicherheit a und b unterschieden und identifiziert werden. Damit ist das Lesen noch gar nicht erfasst. Wir sehen nicht Bögen und Striche, die wir dann zu einem Wort zusammenfügen; das kann im Normalfall jeder nach dem Ende der Grundschule. Das ist noch gar nicht Lesen . Was aber dann? Wenn wir das Wort Wald entziffern und aussprechen, sehen wir nicht Buchstaben, sondern wir sehen den Wald, obwohl er gar nicht da ist. Der geneigte Leser möge sich eben jetzt prüfen, was er vor Augen oder im Ohr hat, wenn er den Satz liest und hört: Es braust ein Ruf wie Donnerhall oder Mörikes Frühling lässt sein blaues Band oder den Artikel 1 des Grundgesetzes Die Würde des Menschen ist unantastbar . Man versteht da nicht Licht- und Schallwellen, die sich auf wundersame Weise in Bedeutungen verwandeln, sondern man sieht und hört Sachverhalte, die sich zeigen, andeuten, aber auch verbergen oder gänzlich verschlossen bleiben.

So gesehen kann man sagen: Lesen heißt, das sehen und verstehen, was andere geschrieben oder sonst in Zeichen ausgedrückt haben. Lesenlernen ist genau dies: die Sprache erlernen, in der Sachverhalte präsentiert werden, erst die elementare Lautsprache, das geschieht in der Grundschule, dann aber auch die Sprachen der Musik, z.B. Partituren, der Logik und der Physik, und so durch alle Fächer.

Die Lehre vom richtigen Lesen ist allgemein unter dem Titel Hermeneutik bekannt. Sie braucht hier nicht eigens vorgestellt zu werden. Ich gehe gleich dazu über, was es heißt, einen Text zu lesen, der

Titel1
Grundriss der Pädagogik/ Erziehungswissenschaft6
Inhaltsverzeichnis8
1. Einleitung10
2. Plato: Menon15
3. Plato: Das Höhlengleichnis27
4. Quintilian: Institutio oratoria Die Erziehung zum Redner39
5. Benedikt v. Nursia: Regula Benedicti Die Benediktregel53
6. Thomas v. Aquin: De magistro Über den Lehrer67
7. Thomas Elyot: The Governor und Roger Ascham: The Scholemaster78
8. Ignatius v. Loyola: Exercitia spiritualia Die Geistlichen Übungen92
9. René Descartes: Regulae ad directionem ingenii Regeln zur Leitung des Geistes101
10. Jan Amos Comenius: Didactica magna Die Große Didaktik113
11. John Locke: Some Thoughts Concerning Education Gedanken über Erziehung123
12. Rousseau: Emile ou de l éducation Emile oder über die Erziehung136
13. Wilhelm v. Humboldt: Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen148
14. Friedrich Schiller: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen160
15. Johann Wolfgang v. Goethe: Wilhelm Meisters Lehrjahre173
16. Johann Heinrich Pestalozzi: Brief an einen Freund über seinen Aufenthalt in Stans186
17. Johann Michael Sailer: Über Erziehung für Erzieher199
18. Immanuel Kant: Vorlesung über Pädagogik213
19. Johann Gottlieb Fichte: Reden an die deutsche Nation227
20. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Die Phänomenologie des Geistes239
21. Zwischenbilanz253