: Jacob und Wilhelm Grimm
: Deutsche Sagen - Vollständige Ausgabe
: Anaconda Verlag
: 9783730690826
: 1
: CHF 6.20
:
: Märchen, Sagen, Legenden
: German
: 656
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die 'Deutschen Sagen' sind nach den berühmten 'Kinder- und Hausmärchen' das zweite große Sammelwerk der Brüder Grimm und gelten als die bedeutendste Zusammenstellung ihrer Art. Ob Tannhäuser, Lohengrin, Heinrich der Löwe oder der Sängerkrieg auf der Wartburg, ob die Geschichten vom tausendjährigen Rosenstock, vom Binger Mäuseturm, dem Rattenfänger von Hameln oder wie Luther das Tintenfass dem Teufel an den Kopf warf: Zehn Jahre lang haben die Brüder gesammelt und schließlich 585 Sagen unterschiedlichster Herkunft ausgewählt, die zum Teil auf eine über 1500-jährige Erzähltradition zurückgehen. 1816/1818 wurde das Werk in zwei Bänden veröffentlicht. Es ist bis heute eine unerschöpfliche Fundgrube und ein kostbares Lesebuch.

Jacob (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859) studierten in Marburg Rechtswissenschaften. 1830 erhielten sie einen Ruf an die Universität Göttingen. Dort gehörten sie zu den 'Göttinger Sieben'. 1841 ernannte sie König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen zu Mitgliedern der Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Von dem Kreis der 'Heidelberger Romantik' angeregt, gaben sie 'Kinder- und Hausmärchen' und 'Deutsche Sagen' heraus. Das letzte umfangreiche gemeinsame Werk der Brüder war das seit 1852 erschienene, zu ihren Lebzeiten nicht mehr vollendete 'Deutsche Wörterbuch'.

Vorrede der Brüder Grimm
zum ersten Band


1. Wesen der Sage


Es wird dem Menschen von Heimats wegen ein guter Engel beigegeben, der ihn, wann er ins Leben auszieht, unter der vertraulichen Gestalt eines Mitwandernden begleitet; wer nicht ahnt, was ihm Gutes dadurch widerfährt, der mag es fühlen, wenn er die Grenze des Vaterlandes überschreitet, wo ihn jener verläßt. Diese wohltätige Begleitung ist das unerschöpfliche Gut der Märchen, Sagen und Geschichte, welche nebeneinander stehen und uns nacheinander die Vorzeit als einen frischen und belebenden Geist nahezubringen streben. Jedes hat seinen eigenen Kreis. Das Märchen ist poetischer, die Sage historischer; jenes stehet beinahe nur in sich selber fest, in seiner angeborenen Blüte und Vollendung; die Sage, von einer geringern Mannigfaltigkeit der Farbe, hat noch das Besondere, daß sie an etwas Bekanntem und Bewußtem hafte, an einem Ort oder einem durch die Geschichte gesicherten Namen. Aus dieser ihrer Gebundenheit folgt, daß sie nicht, gleich dem Märchen, überall zu Hause sein könne, sondern irgendeine Bedingung voraussetze, ohne welche sie bald gar nicht da, bald nur unvollkommener vorhanden sein würde. Kaum ein Flecken wird sich in ganz Deutschland finden, wo es nicht ausführliche Märchen zu hören gäbe, manche, an denen die Volkssagen bloß dünn und sparsam gesät zu sein pflegen. Diese anscheinende Dürftigkeit und Unbedeutendheit zugegeben, sind sie dafür innerlich auch weit eigentümlicher; sie gleichen den Mundarten der Sprache, in denen hin und wieder sonderbare Wörter und Bilder aus uralten Zeiten hangengeblieben sind,