Der erste Stein
„Pass auf, was du schreibst. Ich habe gute Anwälte.“
SEL-Generaldirektor Maximilian Rainer (Oktober 2009)
Maximilian Rainer
Es ist kein Zufall und keine Marotte, sondern es ist eine bewusste Strategie. Maximilian Rainer kommt grundsätzlich immer zu spät. Der Generaldirektor der Südtioler Landeselektrizitätsgesellschaft SEL lässt alle, mit denen er zu tun hat, erst einmal warten. Bei Aussprachen, Sitzungen oder Verhandlungen: Rainer ist immer der Letzte, der auf der Bildfläche erscheint.
Rainer will damit nicht nur signalisieren, dass er eigentlich wichtigere Dinge zu tun hat, sondern er geht davon aus, dass das Warten Machtverhältnisse etabliert. Mit der Arroganz der tickenden Uhr demonstriert der SEL-Direktor, wer am Steuerrad steht.
Es ist deshalb keine Überraschung, dass Maximilian Rainer mich an diesem Vormittag im Oktober 2009 erst einmal warten lässt. Nicht etwa in seinem Büro, sondern im großen Besprechungszimmer am Sitz der SEL AG.
Ich habe den SEL-Generaldirektor wenige Tage zuvor angerufen und um einen Termin gebeten. Es gehe um eine brisante Recherche für einen Artikel, der auch ihn betreffe. Auf seine Nachfrage hin muss ich genauer werden. „Es geht um ein Kleinkraftwerk in Mittewald“, präzisierte ich am Telefon.
Den Namen „Stein an Stein“, der drei Jahre später in Südtirol zum Symbolbegriff für einen politischen Skandal werden soll, kennen zu diesem Zeitpunkt in Südtirol kaum ein Dutzend Personen. Ich selbst habe den Namen erst ein halbes Jahr zuvor zum ersten Mal gehört. Es ist der Rechtsanwalt Anton von Walther, der mich auf das Thema aufmerksam gemacht hat. Er erklärt mir im Frühjahr 2009 in wenigen Worten, was er zu diesem Zeitpunkt weiß: Eine Wiener Pflastersteinfirma mit dem Namen Stein an Stein GmbH, die einer gewissen Petra Anna Windt gehört, hat ein Kleinkraftwerk in Mittewald in der Gemeinde Franzensfeste erworben. Die neue Besitzerin wolle jetzt unbedingt eine Erweiterung des Kraftwerks durchsetzen.
Petra Anna Windt hat an der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien