: Marcus Tullius Cicero
: Reden gegen Verres: Ciceros meisterhafte Rhetorik in seiner bekannteste Gerichtsrede Die Kunst der Rhetorik in Rechtswissenschaft
: e-artnow
: 9788026826569
: 1
: CHF 1.80
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: Sonstiges
: German
: 176
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: ePUB
Dieses eBook: 'Reden gegen Verres: Ciceros meisterhafte Rhetorik in seiner bekannteste Gerichtsrede' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Unter der Oberbezeichnung Reden gegen Verres werden zwei Reden Marcus Tullius Ciceros zusammengefasst, die dieser 70 v. Chr. im Zusammenhang mit einem Prozess gegen Gaius Verres verfasste, den ehemaligen Statthalter von Sizilien, der wegen Korruption und Erpressung angeklagt war. Durch die Reden, die mit Ciceros Wahlkampf um das Amt des Ädilen zusammenfielen, konnte dieser hohes öffentliches Ansehen erringen. Zugleich wurde er zum bedeutendsten römischen Redner, da er Quintus Hortensius Hortalus, der bis dahin als wichtigster Redner Roms galt, schlagen konnte - Hortensius trat als Verres' Verteidiger auf. Seinen Erfolg verdankte Cicero neben seiner argumentativen und stilistischen Kunst, die sich Gegenstand und Publikum perfekt anzupassen wusste, vor allem seiner klugen Taktik, die sich ebenfalls ganz auf die jeweilige Hörerschaft einstellte und Meinungen verschiedener philosophischer oder politischer Schulen eklektisch zusammenführte, teilweise weil dies seiner eigenen Auffassung entsprach, aber auch um dem Publikum entgegenzukommen und seine Ziele zu erreichen. Cicero (106 v. Chr.- 43 v. Chr.) war ein römischer Politiker, Anwalt, Schriftsteller und Philosoph, der berühmteste Redner Roms und Konsul im Jahr 63 v. Chr. Cicero war einer der vielseitigsten, aber auch wankelmütigsten Köpfe der römischen Antike. Als Schriftsteller war er schon für die Antike stilistisches Vorbild, seine Werke wurden als Muster einer vollendeten, 'goldenen' Latinität nachgeahmt.

Vorbereitendes Verfahren: Rede gegen Quintus Caecilius1


Inhaltsverzeichnis


I. (1) Hoher Gerichtshof, verehrte Anwesende!

Mancher von euch wird sich vielleicht wundern, daß ich nach einer so langjährigen, in Staats- und Privatprozessen ausschließlich aufVerteidigung gerichteten Thätigkeit jetzt plötzlich die Richtung wechsele und mich auf eineAnklage einlasse. Mit Recht; denn stets lag es mir fern, jemandem zu nahe treten zu wollen. Wer aber in dem vorliegenden Falle die Beweggründe meines Auftretens kennt, wird ohne Weiteres meinen Schritt billigen und zugleich einsehen, daß hier niemand neben mir als Kläger in Frage kommen kann.

(2) Als meine Quästur in Sicilien2 zu Ende war, verließ ich die Provinz mit dem Bewußtsein, daß alle Sicilianer meiner Amtsführung und Persönlichkeit ein dauerndes liebevolles Andenken bewahren würden; sie konnten darauf rechnen, neben den berühmten Familien, die seit Generationen das Patronat3 der Insel übernommen haben, auch an mir eine Stütze für ihre berechtigten Ansprüche zu besitzen. Jetzt, wo man sie gepeinigt und ausgesogen hat, wenden sie sich alle an mich; ganz offiziell, einmal über das andere flehen sie mich an, für ihre Interessen einzutreten; sie erinnern mich an mein oft gegebenes, oft gehaltenes Versprechen, sie nie im Stiche zu lassen, wenn sie mich brauchen. (3) Jetzt sei der Moment gekommen, wo ich nicht irgend welche vereinzelten Interessen, sondern die Existenz der ganzen Provinz schützen müsse; sie könnten ja nicht einmal zu den Göttern mehr ihre Zuflucht nehmen, denn sie hätten gar keine Götter mehr in ihren Städten, seitdemGaius Verres die heiligen Bilder aus den Stätten der Andacht weggerissen: was überhaupt je die menschliche Grausamkeit, Habsucht, Prasserei und Herrschsucht an Schandthaten zu leisten vermöchte, das alles hätten sie drei Jahre lang unter diesem einen Landvogte durchgemacht – nun sollt ich sie doch nicht umsonst flehen lassen, wo ich eigentlich dafür verantwortlich wäre, daß sie überhaupt niemanden anzuflehen brauchten.

II. (4) Glaubet mir, meine Herren, es war mir ein herber Schmerz, diese Alternative, entweder den braven Leuten ihre Bitte um Hilfe abschlagen oder plötzlich meinen Beruf wechseln zu müssen: von Jugend auf hatt' ich immer verteidigt, nun sollt ich anklagen! – Ich nannte ihnen denQuintus Caecilius und berief mich auf seine Amtsthätigkeit in ihrer Provinz. Aber dies Argument, das mir zu Hilfe kommen sollte, entwaffnete mich vielmehr vollständig: viel eher hätten sie mir das peinliche Geschäft erlassen, wenn sie den Caecilius nicht gekannt oder doch nicht als Beamten in ihrem Lande gehabt hätten.4 (5) Schließlich bestimmten mich moralische Verpflichtung, gegebenes Versprechen, mitleidiges Empfinden, viele bedeutende Vorbilder, alte Beziehungen und die Regeln unserer Ahnen, diese Last zu übernehmen; wahrlich nicht meiner Neigung, sondern meinen Nächsten zuliebe. Nur Eines tröstet mich: diese meine scheinbare Anklage ist in Wahrheit vielmehr eine Verteidigung. Ich verteidige viele Menschen, viele Gemeinden, ja die ganze Provinz Sicilien. Dagegen verklage ich nureinen Menschen; so kann ich meinem Grundsatz, immer nur helfend und lindernd für die Menschheit einzutreten, beinahe treu bleiben. (6) Angenommen, dem wäre nicht so und der Fall nicht von so ganz besonderer Bedeutung; angenommen, die Sicilianer hätten mich nicht aufgefordert und ich wäre ihnen nicht so eng verbunden: hätte ich dann denselben Schritt rein im Staatsinteresse unternommen – wer könnte mir einen Vorwurf daraus machen, daß ich einen so beispiellos schamlosen Räuber vor Gericht ziehe? einen Menschen, der nicht bloß inSicilien, sondern inGriechenland, Kleinasien, Kilikien, Pamphylien, ja schließlich am ärgsten hier inRom selber vor unsern Augen gefrevelt hat!

III. (7) Wahrhaftig, unter heutigen Umständen kann ich dem Staate gar keinen größeren Dienst erweisen; der römischen Nation ist es willkommen, den Alliierten und Ausländern erwünscht, schließlich für alle vom größten materiellen und moralischen Werte. Die Provinzen sind nach lang