: Attila Jo Ebersbach
: Blutrache. Ein Edersee-Krimi Kriminalroman
: Verlagsgruppe Droemer Knaur
: 9783426433430
: 1
: CHF 5.00
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: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 267
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Romeo und Julia am Edersee. Jule und Patrick sind ein glückliches Liebespaar. Alles könnte perfekt sein, wären ihre Väter nicht bis aufs Blut verfeindet. Nach einem Junggesellenabschied geraten die beiden Väter in Streit. Eine Woche später findet der Ex-Hauptkommissar Arne Guldberg bei einem Segeltörn die Leiche von Lengemann senior im See. Da alle Umstände eindeutig auf einen tragischen Unfall hindeuten, will Franca, Guldbergs Tochter und ebenfalls Kommissarin, den Fall zu den Akten legen. Doch gegen den Widerstand seiner Tochter recherchiert der frühere Ermittler weiter und deckt dabei ein dunkles Geheimnis auf, das die beiden Familien seit Jahrzehnten verbindet... Begeisterte Leserstimmen: »Krimikost vom Feinsten« »Je mehr ich las, um so tiefer wurde ich hineingezogen...« »Dem Autor gelingt es immer wieder die Spannung hoch zu halten.« Nach »Blutzoll« ist »Blutrache« der zweite Fall des Hauptkommissars a.D. Arne Guldberg.

Attila Jo Ebersbach wurde 1943 in einem Opernsängerhaushalt in Görlitz geboren. Sein Abitur legte er 1964 in Darmstadt ab - als einer von zehn Jungen unter tausend Mädchen an einer eben erst für Jungen geöffneten Mädchenschule. Eine Erfahrung, die ihn für's Leben gerüstet hat. Nach seinem Studium der Architektur und Malerei arbeitete er als Berufsmusiker, Architekt, Grafikdesigner und Geschäftsführer einer Werbeagentur. Seit 2004 schreibt er hauptberuflich und ist als freiberuflicher Korrektor und Layouter für mehrere Verlage tätig. Seine freien Tage verbringt er gerne auf seinem Segelboot - natürlich auf dem Edersee - wo sonst?

Kapitel 2


Sonntag, 12. Mai, 10:54 Uhr

 

Der Sonntagmorgen dämmerte … und wurde ignoriert. Es war bereits kurz vor elf, als sich Guldberg und die Hüben-thal endlich aus den Federn schälten, strubbelig, verwuschelt und immer noch angenehm erschöpft von der vergangenen Nacht.

Gähnend setzte er schon mal Wasser auf, während sie mit hängenden Schultern lieber erst unter die Dusche schlurfte.

Guldberg schob ein halbes Dutzend Brötchen zum Aufbacken in die Röhre und begann, die Augen noch auf halb acht, den Tisch zu decken. Mit trägen Bewegungen schaffte er Butter, Erdbeermarmelade, Camembert und eine Dose Ananas heran und brühte Kaffee auf. Sie frühstückten am liebsten in der Küche, weil man von dort einen herrlichen Blick hinüber auf den Hafen von Rehbach und das Restaurant Fischerhütte hatte.

Arne Guldberg, der ehemalige Hauptkommissar beim K 11 in Kassel, hatte sich mit Ende fünfzig frühpensionieren lassen und war vor etwas mehr als einem Jahr hierher an den Edersee gezogen, nachdem er bei einer Auseinandersetzung rivalisierender Zuhälterbanden angeschossen worden war und hatte einsehen müssen, dass es auch noch andere Dinge im Leben gab, als böse Buben zu jagen. Mit viel Liebe und unter Mithilfe seines Freundes Bertram Helmer, der vor wenigen Monaten ermordet worden war und dessen Mörder er nach langwierigen Ermittlungen zum Schluss doch noch hatte dingfest machen können, hatte er ein altes Wochenendhaus auf Scheid renoviert; und vor Kurzem war dann auch die Hübenthal, ihres Zeichens Reporterin derWaldeckischen Landeszeitung, bei ihm eingezogen.

Die kam gerade aus dem Bad. Sie trug einen äußerst knappen weißen Slip, der ihren süßen kleinen Po vortrefflich zur Geltung brachte, und ein schwarzes T-Shirt, auf dem in knallgelber Schrift der Satz:Guter Sex ist, wenn selbst die Nachbarn hinterher eine rauchen aufgedruckt war. Mit einem Handtuch rubbelte sie ihre roten Haare trocken und tänzelte barfuß und eine Melodie vor sich hin summend an den Tisch.

»Hätte nicht gedacht, dass du nach solch einer Nacht noch gerade stehen kannst«, frotzelte sie und grinste ihn von unten herauf an. Ihn nicht aus den Augen lassend, griff sie nach einem Brötchen, schnitt es noch im Stehen entzwei und bestrich es mit Butter und Marmelade.

Guldberg schenkte ihnen beiden Kaffee ein, den er mit einem Spritzer Sahne aus dem Spender garnierte. »Nun blas dich mal bloß nicht auf wie ’ne schwangere Elster, nur weil du jünger bist«, konterte er und gab ihr einen Stups auf die Nase. »Bisher hab ich dir doch wirklich keinen Grund geliefert, an meiner Manneskraft zu zweifeln, oder?«

Ihre roten Locken flogen hin und her. »Nee, kann mich nicht beklagen. Da kannte ich Jüngere, die du noch gut in die Tasche steckst. Aber …«

»Aber?«

»Aber das hätt ich jetzt vielleicht« – sie sagte dasvielleicht mit Singsang und zog dasei in die Länge – »nicht sagen sollen.«

»Wieso das?«

»Na, weil du dich dann in Zukunft möglicherweise … ähm … weniger anstrengst?«, entgegnete sie und lachte schelmisch.

Mit einem Riesensatz, den er sich selbst nicht zugetraut hätte – am allerwenigsten heute –, war er um den Tisch, packte sie, hob sie hoch und legte sie sich übers Knie. »Du kleiner, süßer Frechdachs«, rief er und gab ihr ein paar spielerische Klapse auf den Po, die sie mit übertrieben verweint klingenden »Auaaa«-Rufen kommentierte.

Lachend ließ er sie wieder los.

Es war wirklich nicht schlecht, auf diese Weise den Sonntagvormittag zu verbringen – mit schäkern, Frühstücken, Kaffee trinken und ab und an einen Blick in die Sonntagszeitung werfen. Zuschauen, wie ein Rechteck aus Sonnenlicht langsam von rechts nach links über die Dielen wanderte. Oder eine vorwitzige Spinne sich am unsichtbaren Faden von der Decke abseilte. Ein bisschen knutschen zwischendurch – und später vielleicht …

 

Das Klingeln des Telefons unterbrach die Idylle.

Guldberg blieb, wo er war, die Lippen den Nabel der Hübenthal erkundend, eine Hand unter ihrem T-Shirt.

Endlich hörte es auf zu klingeln, und der Anrufbeantworter sprang an.

Mitten in der Ansage wurde der Hörer aufgelegt.

Und dann fing das Klingeln von Neuem an.

Er hob den Kopf und fluchte. »Ist wahrscheinlich …«

Sie zog ihn wieder zu sich herunter. »Lass es klingeln.«

Der Anrufbeantworter machtePiep.

Das Klingeln hörte auf.

Und fing erneut an.

»Verdammt …!«

»Dann geh halt ran«, seufzte sie und schob ihn von sich.

Bevor die Ansage zu Ende war, nahm er ab. »Ja?«

»Na endlich!« Franca.

»Was willstdu denn?«, seufzte er ungehalten und fuhr sich mit der Hand durch die halblangen Haare. »So früh am Sonntagmorgen.«

Seine Tochter lachte: »Früh? Es ist gleich Mittag, alter Mann. Ist deine Uhr stehen geblieben, oder was?«

Franca war Kommissarin bei der Kripo in Korbach und hatte ein ambivalentes Verhältnis zu ihm. Einerseits sah er ein, dass sie mit ihren fast dreißig Jahren beruflich nicht mehr an seinem Rockzipfel hängen wollte, andererseits wusste er, dass sie es durchaus schätzte, wenn er ihr bisweilen mit seiner Erfahrung und seinem Instinkt unter die Arme griff.

»Man wird ja wohl noch ein Recht auf ein bisschen Privatleben haben«, brummte Guldberg. »Zumal am Sonntag …«

»Papperlapapp!«, schnitt sie ihm das Wort ab. »Ich hab auch keins. Muss heute Bereitschaft schieben. Und ich denke, das wird dich interessieren: Dein Vereinsboss ist verschollen«, fiel sie dann mit der Tür ins Haus.

Guldberg horchte auf. »Der Lengemann? Vom SCS?«

»Jepp. Behauptet jedenfalls seine Frau. Er sei gestern auf ’nem Junggesellenabschied im Vereinsheim gewesen und danach spurlos verschwunden.«

Heinrich »Henner« Lengemann war Erster Vorsitzender des SCS und besaß ein großes, ertragreiches Gut am Ortsrand von Twiste, einem Dorf zwischen Korbach und Bad Arolsen. Außerdem ein repräsentatives Wochenendhaus oberhalb der Bringhäuser Bucht und eine Bavaria 31 mit allem Drum und Dran im Sportboothafen am Westufer von Scheid. Daneben ein paar Häuser mit Gewerbe und Wohnungen, die er vermietet hatte. Bei ihm galt bei allem, was er tat, die Maxime: Klotzen, nicht kleckern!

Guldberg schaltete den Ton am Hörer ein, damit die Hübenthal mithören konnte. Ein über die offene Handfläche gehauchter Luftkuss dankte es ihm. Rasch schnappte sie sich den immer griffbereit liegenden Block und begann, sich für ihre Zeitung Notizen zu machen. »Lengemann war auf ’nem Junggesellenabschied im Vereinsheim des SCS und ist seit gestern Nacht spurlos verschwunden?«, wiederholte Guldberg dann für sie.

»Seine Frau sagt, sie hätten vereinbart, dass sie ihn so gegen drei Uhr nachts mit dem Auto abholt. Sie habe deshalb extra nichts getrunken und sei auch rechtzeitig losgefahren. Aber bis sie von ihrem Wochenendhaus um den See herum Scheid erreicht habe, seien über anderthalb Stunden vergangen, weil in Höhe der Staumauer wegen eines Unfalls die Straße gesperrt war. Daher habe sie umkehren und den viel weiteren Weg über Affoldern und Waldeck nehmen müssen. Und als sie schließlich das Vereinsheim erreicht habe, sei alles schon dunkel und keiner mehr im Haus gewesen …«

»So’n Pech aber auch …«

»Sie sagt, sie hätte halb Scheid abgefahren auf der Suche nach ihrem Mann«, fuhr Franca unbeirrt fort, »aber nicht die kleinste Spur gefunden. Sie ist dann eilig zurück ins Wochenendhaus gefahren, weil sie hoffte, jemand anderes habe ihn heimgefahren.«

»Betrunken?«

»Na ja, manchmal organisieren sie bei solchen Feten ja einen Fahrdienst.«

»Hm …«

»Anschließend hat sie angeblich den ganzen Morgen überall rumtelefoniert, aber er ist nirgendwo gesehen worden. Sogar in ihrem Haus in Twiste habe sie seinen Vater aus dem Bett geklingelt, aber auch dort sei er nicht gesehen worden. Wie vom Erdboden verschluckt sei er, sagt sie. Sag mal: Warst du nicht zufällig gestern auch …«

»Nein, war ich nicht. Ich kann solche Feten,...