Marlene wurde blaß. Fester preßte sie den Hörer des schnurlosen Telefons ans Ohr. Ihr hübsches Gesicht verzog sich, als hätte sie Schmerzen.
»Nein«, flüsterte sie entsetzt. Sie schüttelte den Kopf mit dem schulterlangen dunklen Haar. Der Blick ihrer schönen braunen Augen wurde verzweifelt. Angestrengt lauschte sie auf die Stimme aus dem Gerät.
Für einen Moment schloß Marlene die Augen, atmete schwer. Es war, als müßte sie Kraft schöpfen, um sprechen zu können.
»Ich komme selbstverständlich«, flüsterte sie bedrückt. »Wann? Ich fahre so bald wie möglich weg und kann morgen bei euch sein. Es tut mir ja so leid… so furchtbar leid.« Marlene preßte die Lippen aufeinander und schluckte mehrmals. Dabei rannen die Tränen über ihr jugendliches Gesicht. »Ja, bis morgen. Und danke, Arne, daß du mich informiert hast.« Gewohnheitsmäßig schaltete Marlene das Gerät ab und legte es auf den Frühstückstisch. Sie wurde sich dieser Handlung gar nicht bewußt. Ihr Blick ging in die Ferne.
Die sanften Hügel der Toskana waren dort zu sehen, bepflanzt mit Reben und Olivenbäumen, unterbrochen von kleinen Eichenwäldern, vor denen lange Ketten uralter Zypressen standen. Dunkel hoben sie sich vom wolkenlosen blauen Himmel ab. Doch Marlene hatte keinen Blick für die liebliche Landschaft. Es waren ganz andere Bilder, die durch ihre Gedanken geisterten.
Celestino Piotta, ihr Ehemann, hatte sie aufmerksam beobachtet. Er war einundfünzig und damit genau zwanzig Jahre älter als Marlene. Seine ständig schwelende Eifersucht hatte vermutlich ihre Ursache in diesem Altersunterschied.
Heitere Gelassenheit vortäuschend, lehnte er sich im Rattansessel zurück. »Schlechte Nachrichten?« fragte er ironisch in seiner italienischen Muttersprache. Deutsch zu lernen, hatte er nie für nötig gehalten. Für ihn war es selbstverständlich, daß seine Frau die italienische Sprache beherrschte. Daß sie das gemeinsame Töchterchen Antonia zweisprachig erzog, nahm er hin, hielt es allerdings für Unsinn.
»Ist dein Freund in Schwierigkeiten?« fragte Celestino grinsend. Er gab sich keine Mühe, seine Schadenfreude zu verbergen. »Sie müssen ernster Natur sein, sonst könntest du nicht so erschüttert aussehen. Bist so bleich, als wärst du dem Teufel begegnet.« Celestino rieb sich zufrieden die dicken Hände. Es ging ihm gut, das sah man an seinem runden, glänzenden Gesicht ebenso wie an den teueren Maßanzügen, die er trug.
Marlene atmete tief durch. Sie fühlte sich durch die Bemerkungen ihres Mannes oft gedemütigt. Heute prallten sie an ihr ab.
»Meine Schwester Iris ist gestorben. Es war Arne, der eben anrief.
»Arne? Auch einer deiner Liebhaber?«
»Arne ist mein Schwager, das weißt du doch«, seufzte Marlene geduldig. Längst hatte sie es aufgegeben, sich gegen ihren Mann aufzulehnen. Er war stärker, er hatte Macht und Geld. In seiner Heimat war er ein angesehener Mann. Ein Weingut und große Ländereien gehörten ihm, darüberhinaus besaß er nach eigenen Angaben ein ansehnliches Aktiendepot. Sie dagegen war eine mittellose Ausländerin. Natürlich hätte sich Marlene von ihrem Mann trennen und in ihre Heimat zurückkehren können. Aber damit hätte sie ihr Kind verloren, und deshalb blieb sie, ertrug wehrlos Celestinos Sticheleien.
Der Italiener lachte spöttisch. »Glaubst du, ich wüßte nicht, daß er früher scharf auf dich war, dieser Arne? Daran hat sich bestimmt nichts geän