: Michael Hauch, Regine Hauch
: Kindheit ist keine Krankheit Wie wir unsere Kinder mit Tests und Therapien zu Patienten machen
: S. Fischer Verlag GmbH
: 9783104033242
: Fischer Paperback
: 1
: CHF 13.00
:
: Gesundheit
: German
: 320
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
***Ein Kinderarzt gegen Therapiewahn*** Dr. med. Michael Hauch, Kinder- und Jugendarzt mit langjähriger Praxiserfahrung, schlägt Alarm: Fragwürdige Diagnosen stellen für unsere Kinder eine akute Gefahr dar. ?Entwicklungsverzögert?, ?hyperaktiv?, ?sprachgestört?: Kinder werden heute schnell als ?auffällig? bezeichnet und in Therapie gesteckt. Kinderarzt Michael Hauch wehrt sich gegen Erzieher, Lehrer und Eltern, die ihn mit ihren laienhaften Diagnosen zum Rezeptautomaten degradieren. Aus langjähriger Praxis-Erfahrung weiß er: Therapien und Medikamente sind in den meisten Fällen überflüssig, sie können sogar nachhaltig schaden. Dagegen möchte er die Eltern stärken, ihren Kindern zu vertrauen und ihnen die Chance zu geben, sich nach ihrem eigenen Entwicklungsplan entfalten zu dürfen. ?Vor 20 Jahren vertrauten Erzieher, Lehrer, Eltern und auch Ärzte noch darauf, dass jedes Kind sein eignes Tempo hatte. Heute gibt es von allen Seiten einen enormen Druck, wenn sich ein Kind nicht genau nach Schema entwickelt. Lassen Sie sich nicht verunsichern, sondern erfahren Sie, was für die Entwicklung Ihres Kindes wirklich wichtig ist.? Ein aufrüttelndes Plädoyer für eine glückliche Kindheit. Ein Buch für starke Eltern und eine vertrauensvolle Erziehung.

Dr. med. Michael Hauch war Kinder- und Jugendarzt in Düsseldorf. Davor hat er viele Jahre in der Onkologie und Knochenmarktransplantation der Uniklinik in Düsseldorf und am Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York geforscht und gearbeitet. Michael Hauch starb 2019 nach längerer Krankheit.

1Ein ganz normaler Praxistag


Morgens um 10 Uhr in meiner Praxis. Seit zwei Stunden arbeiten wir. Das heißt, wir hätten gerne gearbeitet. Aber Julie und Melinda, die ersten beiden Patientinnen, die zur Vorsorge angemeldet waren, sind nicht erschienen. Familie S. mit Julie ohne eine Erklärung, Frau K., die Mutter von Melinda, rief fünf Minuten nach der vereinbarten Zeit an und berichtete, dass die vier Monate alte Melinda die ganze Nacht geschrien habe, nun sei Melinda eingeschlafen – endlich. Sie bringe es nicht über das Herz, Melinda jetzt zu wecken. Jetzt geht die Tür auf und Frau W. erscheint mit Anton.

Anton

Seit Antons Geburt vor zehn Monaten kommt Frau W. alle paar Tage in meine Praxis, weil sie sich Sorgen um Anton macht. Mal hat er einen kleinen Hautausschlag, mal eine verstopfte Nase oder ein bisschen Fieber. Vor allem aber schreit er. Anton schreit »andauernd«, »stundenlang«, und natürlich jeden Abend, bevor er einschläft und »während der Nacht fünf- bis sechsmal«.

»Der würde ja nicht so schreien, wenn er nichts hätte«, sagt Antons Mutter verzweifelt. Von anderen Müttern weiß Frau W., dass Antons Schreien »irgendwas Medizinisches« sein muss.

Als Anton ein paar Wochen alt war, vermutete Frau W. hinter Antons Schreien die berühmten Dreimonatskoliken. Würde das arme Kind sonst die Beine so krampfhaft an den Leib ziehen? Vor ein paar Monaten, da stillte sie Anton noch, glaubte Frau W. eine Verstopfung bei Anton feststellen zu können. Anton hatte nur alle zwei Tage Stuhlgang, einmal sogar eine ganze Woche lang gar nicht. Und dann presste er immer so kräftig beim Stuhlgang – der Beweis. Und dann die Milchallergie. Anton trank immer nur ganz kurz von der Brust, dann wendete er sich ab. Instinktiver Widerwille vor der allergieauslösenden Milch.

Beim nächsten Besuch in meiner Praxis kam Frau W. mit einer gänzlich neuen Vermutung. Antons Halswirbelsäule sei blockiert. Sie habe gehört, dass dies zu langandauernden Schreiattacken führen könnte, auch nachts. Gerade nachts.

Ich untersuche Anton jedes Mal und versuche Frau W. zu beruhigen.

Antons Halswirbelsäule war nicht blockiert. So wenig wie Anton Verstopfung, eine Muttermilchallergie oder Dreimonatskoliken hatte. Anton ist einfach nur wie alle Kinder in diesem Alter ein kleines Genie. Er kann Gedanken lesen. Er merkt, dass seine Mutter unsicher ist. Die Unsicherheit der Mutter verunsichert wiederum Anton. Er fühlt sich nicht geborgen. Deshalb schreit er. Und seine Mutter wird immer unsicherer. Sie wünscht sich nur noch, dass Anton einmal nicht mehr schreit. Dass er ruhig ist und schläft. Und dass er endlich a