1. Kapitel.
Inhaltsverzeichnis
Meine ersten Erinnerungen gehen bis zum Jahre 1767 zurück. Ich zählte damals drei oder vier Jahre. Die genaue Zeit meiner Geburt habe ich niemals gekannt. Ich sehe mich bloß gleichsam durch einen Nebel hindurch mit meiner Mutter eine große Straße mitten durch ein Gebirge wandern. Bald trug sie mich auf ihrem Rücken, bald ging ich neben ihr her und hielt mich an ihre Hand oder an ihr Kleid. Von Zeit zu Zeit ward der Weg von Bächen durchschnitten. Dann nahm mich meine Mutter auf die Arme, durchwatete den Bach und setzte mich am andern Ufer wieder auf den Boden nieder. Es mußte während des Winters oder wenigstens gegen Ende des Herbstes sein. Ich empfand fortwährend Kälte und zuweilen Hunger. Wenn wir durch eine Stadt oder ein Dorf kamen, blieb meine Mutter vor dem Laden eines Bäckers stehen und bettelte mit flehender Stimme um ein Stück Brot, welches man ihr auch fast allemal gab. Während der Nacht blieben wir selten in den Städten oder in den Dörfern, sondern vielmehr in einem alleinstehenden Gehöft. Hier bat meine Mutter, daß man ihr erlauben möge, in der Scheune oder in dem Stalle zu schlafen. Die Nächte, wo man uns erlaubte, in dem Stalle zu schlafen, waren meine Festnächte. Ich wurde dann warm, und fast allemal, ehe wir uns wieder auf den Weg machten, gab mir am Morgen die Pächterin oder die Magd, welche die Kühe zu melken kam, eine Tasse laue Milch, die für mich um so größere Delikatesse ausmachte, als ich nicht daran gewöhnt war. Nach der Entfernung, die wir zurücklegten und angenommen, daß wir täglich vier bis fünf Meilen machten, dauerte unsere Reise beinahe eine Woche. Endlich langten wir in der Stadt Hawarden an, welche das Ziel unserer Wanderung war.
Mein Vater, der John Lyons hieß, war gestorben, und meine Mutter hatte die Stadt, wo sie ihn verloren, verlassen, um ihre in Hawarden wohnende Familie um einige Unterstützung zu meiner Erziehung und ihrem eigenen Unterhalt zu bitten. Hier breitet sich abermals eine Dunkelheit von einigen Monaten über mein Gedächtnis, und ich finde mich, eine kleine Herde Schafe hütend, in einer Meierei wieder, wo meine Mutter als Magd beschäftigt war. Im Verhältnis zu der Vergangenheit fühlte ich mich jetzt glücklich. Der Frühling war gekommen, und mit ihm die Wärme und das Grün. Der Abhang des Hügels, auf welchen ich meine kleine Herde zur Weide trieb, war ein ungeheurer Thymian- und Heidekrautteppich, welchen meine Schafe lustig abweideten und worauf ich mir Blumenkränze wand. Abends trieb ich meine Herde in das Gehöft zurück und schlief mit in der Hürde. Ein Korb, welcher Brod, ein wenig Butter oder Käse, zuweilen auch ein hartgekochtes Ei enthielt, genügte zur Befriedigung meiner Bedürfnisse für den ganzen Tag. Mein Hund teilte mein Brod und schien mit dieser Kost ebenso zufrieden zu sein wie ich. Wenn mir gefrühstückt und zu Mittag gegessen hatten, löschten wir unseren Durst an einer benachbarten durchsichtigen Quelle, welche ein krystallenes Becken füllte, ehe sie sich weiter ergoß, und wie ein Silberfaden den Abhang des Hügels hinabströmte. So vergingen drei oder vier Jahre, ohne daß ein Ereignis die süße Eintönigkeit dieses Lebens unterbrochen und eine Spur in meinem Gedächtnis zurückgelassen hätte.
Eines Tages, als ich wie gewöhnlich mich über die Quelle neigend trank, nachdem ich mir einen Kranz von Heiderosen und Gänseblümchen aufgesetzt, hielt ich zum erstenmal in dem Augenblicke, wo meine Lippen das Wasser berühren wollten, inne. Ich gewahrte, daß ich hübsch war. Indes ich drücke mich nicht richtig aus, wenn i