: Friedrich Weissensteiner
: Franz Ferdinand Der verhinderte Herrscher
: Verlag Kremayr& Scheriau
: 9783218009423
: 1
: CHF 15.20
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: Biographien, Autobiographien
: German
: 272
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das Leben Franz Ferdinands birgt alle Zutaten für einen dramatischen Hollywoodfilm: eine widersprüchliche Persönlichkeit, politisch konservativ, aber scharfsinnig; eine lebensbedrohende Tuberkulose; eine unstandesgemäße Ehe - Gräfin Sophie von Chotek, die Liebe seines Lebens, entsprach keineswegs den kaiserlichen Standesregeln; ein tragisches Ende. Den Schüssen von Sarajevo fiel nicht nur Franz Ferdinand zum Opfer, sondern in letzter Konsequenz auch die Habsburgermonarchie. Friedrich Weissensteiner hat seine 1983 erstmals erschienene Biografie 'Franz Ferdinand - der verhinderte Herrscher' grundlegend überarbeitet, neu bebildert und um das Kapitel 'Franz Ferdinand und die Nachwelt' erweitert, in dem das Schicksal der Kinder des Thronfolgers nachgezeichnet wird.

Friedrich Weissensteiner, Jahrgang 1927, studierte Geschichte und Anglistik und war zuletzt Direktor eines Wiener Bundesgymnasiums. Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher zeitgeschichtlicher Publikationen und literarischer Porträts, vor allem aber auch bekannt durch seine herausragenden Habsburger-Biografien (u.a. 'Die rote Erzherzogin').

ELTERLICHES ERBE, UMWELT UND ERZIEHUNG


Karl Ludwig, der Vater Franz Ferdinands, war ein Bruder des Kaisers. 1833 geboren, war er nur um drei Jahre jünger als der von der Mutter bevorzugte, für höhere Aufgaben vorgesehene Erstgeborene der ehrgeizigen, ränkesüchtigen Sophie von Bayern. Die Lebenswege der beiden Brüder trennten sich dann auch sehr bald. Während Franz Joseph im Alter von achtzehn Jahren den Thron bestieg und damit zum allgewaltigen Familienoberhaupt wurde, brachte es Karl Ludwig politisch nur bis zum Statthalter von Tirol. Er legte dieses Amt nach sechsjähriger Tätigkeit wieder in die Hände des Herrschers zurück. Politik war nicht seine Stärke. Er hatte dafür keine Begabung, sie interessierte ihn nicht. Karl Ludwig hatte aber auch keine militärischen Fähigkeiten und schon gar keine Ambitionen. Er war wohl General der Kavallerie, er trug Generalsuniform, ohne je Soldat gewesen zu sein. Wenn der Bruder Franz Josephs irgendwelche ausgeprägten Neigungen hatte, so lagen sie auf künstlerischem Gebiet. Für Gelehrte und Künstler hatte er stets ein offenes Ohr. Alles, was sich auf künstlerischem und wissenschaftlichem Gebiet abspielte, konnte seines Interesses sicher sein. Er war Protektor von Künstlervereinigungen, von Bällen und Benefizveranstaltungen. Als Mitglied des Kaiserhauses wurde er von Franz Joseph des Öfteren mit repräsentativen Aufgaben betraut. Aber das war auch schon alles, wozu ihn der ältere Bruder heranzog. Der Kontakt zwischen ihnen war lose und beschränkte sich im Wesentlichen auf den Austausch von Förmlichkeiten.

Karl Ludwig war von seiner Mutter Sophie streng katholisch erzogen worden. Fromm und bigott blieb er bis an sein Lebensende. Gehorsam und ohne jede Widerrede tat er stets das, was die willensstarke Mama von ihm wünschte. Er war einer von vielen unbedeutenden Erzherzogen aus dem Geschlecht der Habsburger. Er war gutmütig, treuherzig, bieder und geschwätzig. Er sammelte Briefmarken, liebte die Jagd und war ein unendlich geduldiger Angler.

Im Alter von dreiundzwanzig Jahren ging der harmlose, sanfte Erzherzog mit einer unscheinbaren sechzehnjährigen sächsischen Prinzessin seine erste Ehe ein. Das Eheglück, wenn es überhaupt eines war, war von kurzer Dauer. Es endete zwei Jahre nach der Trauung mit dem Tod der Gemahlin. Nach vierjähriger Witwerschaft, in der er sich in Tirol dem Nichtstun widmete, fiel die Wahl der gestrengen Frau Mama auf eine Bourbonin. Sie hieß Maria Annunziata und war die Tochter Ferdinands II. von Neapel und Sizilien. Der zunächst eher liberal gesinnte König ließ 1848/49 die Aufstandsbewegung in seinem Reich brutal niederkartätschen, was ihm den Spottnamen „Re Bomba“ eintrug. 1859 starb er an den Folgen eines auf ihn verübten Attentates. Zwei Jahre später wurden die Bourbonen aus Neapel vertrieben. Sie gingen nach Rom ins Exil.

Maria Annunziata fühlte sich in Rom nicht wohl. Sie trauerte ihrem Vater nach, dem Reich, das er verloren hatte. In ihren fiebrig glänzenden Augen reflektierten sich wirre Träume, flackerte eine wilde Sehnsucht nach Macht und Größe. Es kam ihr daher sehr gelegen, dass sich ein habsburgischer Erzherzog, der Bruder des österreichischen Kaisers, um ihre Hand bewarb. Sie kannte ihn wohl nur flüchtig, sie hatte ihn nur einmal in Venedig gesehen. Aber was machte das schon aus? Sie wollte weg von Rom, wo man ihr und ihresgleichen nur die herablassende Reve