: Johanna Spyri
: Wo Gritlis Kinder hingekommen sind Illustrierte Kindergeschichte des Autors von Heidi und Rosenresli
: e-artnow
: 9788026825500
: 1
: CHF 1.70
:
: Kinderbücher bis 11 Jahre
: German
: 160
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dieses eBook: 'Wo Gritlis Kinder hingekommen sind' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: 'Liebes Kind, du wirst ja kräftiger werden', tröstete die Mutter; aber sie sah so aus dabei, als habe sie selbst am nötigsten, daß ihr der Trost werde, den sie zu geben versuchte. 'Heute kommt auch der Arzt, und wir fragen ihn, was wir den Sommer zu deiner Stärkung tun sollen. Jetzt müssen wir wohl wieder ins Haus zurückkehren; du bist so bleich geworden, Nora, was ist dir?' Nora versicherte, daß sie nur müde sei. Es war auch immer so: nach jeder größeren Anstrengung kam auf ihr bleiches Gesichtchen eine noch größere Blässe. Sie erreichte auch nur mit Mühe das Haus wieder, und nachdem sie von Friedrich die Treppen hinaufgetragen worden war, wurde sie auf das Sofa gelegt, wo sie eine Zeitlang ganz still und ohne Regung lag, um von der Anstrengung auszuruhen.' Johanna Spyri (1827-1901) war eine Schweizer Jugendschriftstellerin und die Schöpferin der bekannten Romanfigur Heidi.

Zweites Kapitel.


Im Hause des Arztes.


Die Abendsonne schien lieblich auf die hellgrünen Blättchen der jungen Gemüse, welche in den zwei großen Beeten, die an den Blumengarten grenzten, emporkeimten und eine besondere Freude der Hausfrau waren. Wenn sie auch mit größerer Wonne zwischen all den duftenden Blumen des Gartens hin und her ging, so schaute sie doch immer zum Schluß mit einer besonderen Teilnahme nach den grünen Kräutchen, die sie alle selbst gesät und vom ersten zarten Keime an bewahrt und gepflegt hatte. Der Blumenkohl schien in diesem Jahr besonders wohl geraten zu wollen, denn mit großem Wohlgefallen schaute die Besitzerin auf ihre junge Pflanzung hin, die weithin frisch und unberührt dastand; nirgends waren die verderblichen Spuren gefräßiger Raupen zu sehen.

»Guten Abend, Frau Doktorin«, tönte es jetzt vom Wege herüber, der durch eine Hecke von den Beeten getrennt war. »Sie haben doch immer das schönste Gemüse; man sieht wohl, daß dazu gesehen wird.«

Die Frau Doktorin war an die Hecke hingetreten, und über diese herein streckte jetzt der Taglöhner Heiri seine schwielige Hand, denn er war ein alter Bekannter und wußte wohl, daß er das Recht zu einem guten Händedruck hatte. Er war ja schon mit der Frau Doktorin zur Schule gegangen, und wie oft war er seitdem bei ihr eingekehrt, um Trost und Rat von ihr zu empfangen!

Sie erwiderte freundlich seinen Gruß und fragte dann teilnehmend: »Und wie geht’s denn, Heiri; immer viel Arbeit? Ist alles wohl zu Hause, Frau und Kinder?«

»Ja, ja, gottlob!« entgegnete Heiri, indem er die schweren Werkzeuge, die er auf der Schulter trug, auf den Boden legte; »Arbeit gibt’s immer, ich muß mit dem Zeug noch in die Schmiede. Aber es braucht auch Arbeit, die Haushaltung wächst an.«

»Eure drei kleinen Buben sehen gut aus, ich habe sie gestern wieder gesehen mit dem Elsli«, fuhr mit freundlicher Teilnahme die Frau Doktorin fort. »Aber das Kind, das Elsli, ist gar so bleich und schmächtig. Ihr vergeßt doch nicht, woran seine Mutter gestorben ist, Heiri? Man darf das Kind gewiß nicht überanstrengen, es ist zu zart und jetzt im strengsten Wachsen. Ihr müßt beizeiten dazu sehen, Heiri, Ihr habt’s erfahren, wie bald es mit einem jungen Leben aus sein kann.«

»Ja, ja, das hab’ ich, und das vergess’ ich auch nicht, wie’s war! Ich konnte es nicht sehen, wie sie das Gritli in den Boden hineintaten, so jung noch, so jung! Die Marget ist eine währschafte Frau und brav, aber das Gritli kann ich doch nicht vergessen.« Heiri wischte mit seiner Hand ein paar Tränen weg.

Der mitfühlenden Frau kamen auch die Tränen in die Augen. »Ich vergesse es auch nicht, Heiri; wie gern wäre das arme Gritli noch bei Euch und seinen zwei kleinen Kindern geblieben. Es ging auch so unerwartet schnell mit ihm. Freilich sah es ja immer dünn und schmächtig aus, und ich kann sein Kind, das kleine, gute Elsli, nie sehen, ohne daß es mir Sorge macht, ob es auch nicht zu sehr angestrengt wird; es kann nicht viel aushalten, das ist wohl zu sehen.«

»Ja, es ist schon ein Schmales und Mageres«, stimmte