I. Was ist ein Posaunenchor?
Was macht eine Blechbläsergruppe zum »Posaunenchor«? Ist es die Besetzung – das Instrumentarium, auf dem gespielt wird? Ist es der Auftrag – die Mission, die erfüllt werden soll? Oder ist es die Herkunft – die Gründungslegende?
Um es gleich herauszuposaunen: Es ist selbstverständlich eine Mischung der drei genannten Aspekte. Erst die richtige Kombination verleiht dem »Posaunenchor« seine unverwechselbare Note. Wer heutzutage von einem »Posaunenchor« spricht, meint jedenfalls zumeist einen evangelischen Posaunenchor. Und das allein weist bereits daraufhin, dass die Posaunenchorgeschichte vor allem eine Erfolgsgeschichte ist.
Eine Frage der Besetzung
Bevor dem »Posaunenchor« die Anführungszeichen genommen werden, gilt es abzuklären, was für den evangelischen Posaunenchor – egal ob nun landes- oder freikirchlicher Prägung – eigentlich sinn- und identitätsstiftend ist. Der Begriff »Posaunenchor« lässt jedenfalls zunächst auch an eine bestimmte Art der Besetzung denken. Nämlich an eine Blechbläserformation, der ausschließlich Posaunen angehören. Doch solch ein reines »Posaunen-Stimmwerk« – bestehend aus Diskant- (Sopran-), Alt-, Tenor- und Bassposaune – ist vor allem eine musikalische Attraktion des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts. Das Posaunen-Stimmwerk entspricht dabei dem A-cappella-Ideal der Renaissance und des frühen Barock. »A cappella« heißt nicht nur »ohne Instrumentalbegleitung«, sondern bedeutet auch eine bestimmte Kompositionsweise, bei der im Zentrum des Klangideals das mehrstimmige kirchliche Vokalensemble mit fakultativer Instrumentalbegleitung steht. Großartige Werke für reine Posaunenbesetzungen entstehen in jener Zeit. Zu nennen sind etwa Kompositionen von Michael Praetorius, Johann Christoph Pezelius (Pezel) und Gottfried Reiche. Diese fabelhaften Blechbläser-Suiten, Pavanen, Intraden, Kanzonen und Ritornelle, Turm- und Festtagsmusiken gehören bis heute zum Repertoire evangelischer Posaunenchöre – in reiner Posaunenbesetzung gespielt werden sie allerdings so gut wie nie.
Die Altposaune ist hin und wieder noch in den Bläserchören anzutreffen, wohl kaum jedoch eine Sopranposaune. Aufführungen in der musikalisch reizvollen Originalbesetzung sind eine absolute Rarität. Sie bleiben in der Regel Profibläsern vorbehalten. Für Liebhaber der historischen Aufführungspraxis sind diese reinen »Posaunenchor-Konzerte« pure Festtagsmusiken. Die verzückten Zuhörer werden dabei nicht nur in längst vergangene Klangwelten entführt, sie werden zugleich auch daran erinnert, dass unsere heutigen »Posaunenchöre« durchaus noch in Beziehung zur Musizierpraxis der Reformationszeit stehen.
Das Posaunen-Stimmwerk ist ein »Instrumentaler Sängerchor«. An dieses Klangideal des 16. Jahrhunderts knüpfen zunächst die Chorbläser der »Herrnhuter Brüder« im 18. Jah