Vor zwei Stunden hatten sie die Stadt verlassen. Richard lenkte den grauen Toyota durch die Nacht. Er fuhr ruhig und ohne Hast. Sie waren in diesem Augenblick in Sicherheit, in Sicherheit vor der Vergangenheit und vor der Zukunft. Seine Haltung war entspannt. Er genoss diese Nachtfahrt überland, genoss das Wissen, etwas hinter sich gelassen zu haben und etwas Neues zu beginnen. Eine magische Zeitspanne, eine geistige Freiheit, in der alles offen, alles möglich war. Gloria saß in den Beifahrersitz gekauert und blickte unverwandt aus dem Fenster. Der Lichtkegel der Autoscheinwerfer erhellte einen Ausschnitt der Straße und skizzierte die Idee einer gespenstischen Landschaft. Die Dörfer, durch die sie fuhren, schliefen tief und fest. Richard hatte mit Absicht kleine Landstraßen abseits der großen Schnellstraßen und Autobahnen gewählt. Er hörte Musik aus dem Autoradio und rauchte. Sie sprachen nicht. Es gab in diesem Augenblick nichts zu sagen, nichts was neu gewesen wäre. Gloria lehnte den Kopf zurück, schloss für ein paar Sekunden erschöpft die Augen. Sie fühlte sich elend, jeder Muskel ihres Körpers verspannt. Ihr rechtes Bein schmerzte, ein glühender, peinigender Schmerz, der sich von den Lendenwirbeln bis zur Kniekehle zog. Das alte, schlummernde Leiden, das immer dann erwachte, wenn sie sich überanstrengte oder aufregte. Sie unterdrückte ein Seufzen. Richard wusste es ohnehin. Wusste es immer. Er warf den Stummel seiner Zigarette aus dem Fenster und legte seine Hand auf ihren Schenkel. Sah sie nicht an, schob nur den Saum ihres Rockes ein wenig hoch. Sie spürte die Wärme seiner Handflächen durch den dünnen Kunstfaserstoff ihres Rockes und ihrer seidigen Strümpfe sickern. Ein frostiger Schauer lief über ihren Körper. Sie trug immer noch die Uniform der Versicherungsgesellschaft, für die sie bis vor wenigen Stunden gearbeitet hatte. Taubenblaues Kostüm mit pfirsichfarbener Bluse. Es waren die Erkennungsfarben der Gesellschaft, die sie nun schon fast zwei Jahre lang auf jedem Briefpapier, Prospekt, jeder Versicherungskarte in den Händen gehalten hatte. Sie hätte weinen mögen. Am liebsten hätte sie Richards Hand fortgeschoben. Ließ es aber bleiben. Es war nicht gut Richard jetzt zu verärger