: Jürgen Alberts
: Das Kameradenschwein
: 110th
: 9783958650473
: 1
: CHF 2.70
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 171
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Lindow las die Aufschrift auf dem Sockel des Reiterstandbildes: 'Heute beginnt der Rest deines Lebens.' Die grüne Farbe war noch frisch. Wir sind doch nichts weiter als Hilfssheriffs, dachte er. Wenn die Staatsanwaltschaft übernimmt, hat die das Sagen. Bei einer Weihnachtsfeier hatte Lindow sich diesen Gedanken mal erlaubt. 'Ich trinke auf alle Hilfssheriffs des ersten Kommissariats! Immer wenn es ernst wird, müssen wir den Fall abgeben. Prost Kollegen, lasst euch dadurch nicht stören.'

Jürgen Alberts lebt als Schriftsteller in Bremen. 1987 wurde er für seinen Roman Landru mit dem »Glauser« ausgezeichnet. 2011 wurde er vom SYNDIKAT mit dem Ehrenglauser ausgezeichnet ('...in Würdigung seines Engagements für die deutschsprachige Kriminalliteratur und für sein bisheriges literarisches Gesamtwerk im Bereich der Kriminalliteratur'). Neben historischen und Reiseromanen (zusammen mit seiner Frau Marita) hat er sich immer wieder dem Krimi-Genre verbunden gefühlt, wie es in dieser 10-Bände umfassenden Bremen-Krimireihe zum Ausdruck kommt. Mehr unter: www.juergen-alberts.de

Schon zum dritten Mal ging Wolfgang Lindow an seiner Dienststelle vorbei. Er drehte Runden, eine nach der anderen. Ein warmer Januartag und alles war durcheinander, sein Kreislauf und seine Welt. Das Thermometer an der Apotheke zeigte 11 Grad, trotzdem war nicht Frühling, sondern nur der Übergang von trockenem zu feuchtem Schmuddelwetter. Lindow hasste diese unentschiedenen Tage, dieses graue Einerlei, nicht mal für Stunden konnte man die Sonne sehen. Die Beweise gegen den Bauarbeiter waren so dünn wie Seidenpapier. Und er hatte sie geliefert.

»Denkt ein Unschuldiger überhaupt über seinen Aufenthalt zum Zeitpunkt eines Mordes nach?« fragte der Verteidiger.

Ein Satz, der in Lindows Kopf kreiste.

Den Wall hinunter, Bischofsnadel zum Domshof. Der Bankenplatz, ein großer Platz umstellt von Banken, nur der Dom am oberen Ende, der ihm seinen Na¬men gab, machte eine Ausnahme. Aber wer wusste schon, ob es nicht ein Tempel der Händler war? Dann wandte er sich nach links, Violenstraße. Vorbei am Pfandhaus.

Ich habe die Beweise geliefert, aus denen der Staatsanwalt jetzt eine Täterschaft konstruiert. Die Beweise waren ein paar Widersprüche in den Aussagen des Bauarbeiters, ein paar widersprüchliche Zeugen, eine Konstruktion aus Behauptungen. Aber der Bauarbeiter konnte sich nicht verteidigen; er war stumm, blass, eingeschüchtert gewesen.

 

Wolfgang Lindow machte sein Übergewicht zu schaffen. Die kleinen Schweißperlen auf der Oberlippe wischte er mit dem Handrücken weg; er zog den Wollmantel aus, den er am Morgen, nach einem Blick aus dem Fenster, für die richtige Bekleidung gehalten hatte. Sein gelichtetes Haar, kurz geschoren, nach Vorschrift, bedurfte bei dem leichten Wind der ordnenden Hand. Er merkte, wie schwer der Wollmantel war.

Dann stand er wieder vor dem Gerichtsgebäude. Die steinernen Justiz-Skulpturen an der Außenfassade waren noch geschwärzt, obwohl der Krieg seit dreißig Jahren vorüber war. Die Frau mit den verbundenen Augen, ihre Waage niemals. im Gleichgewicht. Ich habe mich geirrt. Lindow war sich jetzt ganz sicher. Ich hätte keine Beweise gegen den Bauarbeiter liefern sollen, sondern solche, die ihn entlasten: Aber dafür war es zu spät. Einmal hatte der Bauarbeiter angefangen, leise zu schluchzen. Niemand der Herren in schwarzer Robe registrierte es, sie schauten weg, wenn sic